Industriepolitik der EU: Mehr Atomkraft, weniger China

Die EU-Kommission will die Abhängigkeit von Rohstoffen aus China verringern und Atomkraft als förderungswürdig einstufen. Letzteres ruft Widerspruch hervor.

Photovoltaik- und Windkraftanlagen im Windpark Huser Klee

Davon soll es mehr geben in der Europäischen Union: Photovoltaik- und Windkraftanlagen Foto: Paul Langrock

BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission will hoch hinaus – und riskiert großen Ärger: Zur Feier des europäischen Binnenmarkts, der in diesem Jahr 30 Jahre alt wird, hat die Behörde am Donnerstag in Brüssel mehrere ehrgeizige, aber auch heftig umstrittene Vorschläge vorgestellt.

Dazu zählt der Plan, die Abhängigkeit von Rohstoffen aus China zu verringern – und die Idee, Atomkraft als „saubere“ und förderungswürdige Energie einzustufen. Beides soll helfen, Europa im knallharten globalen Wettbewerb mit China und den USA voranzubringen.

„Wir haben keinen Zauberstab“, sagte Klimakommissar Frans Timmermans. Aber die EU müsse mehr tun, um die begehrten Rohstoffe (etwa für Batterien) zu sichern und grüne Energien der Zukunft (vor allem Wasserstoff) zu erschließen. Dafür setzt Brüssel ehrgeizige Ziele.

10 Prozent des Bedarfs an kritischen Rohstoffen will die EU bis 2030 selbst abbauen – dafür soll sogar der Bergbau wiederbelebt werden. Recycling soll weitere 15 Prozent sichern. In der Verarbeitung will man künftig 40 Prozent des Eigenbedarfs abdecken.

Bisher bezieht die EU etwa 98 Prozent ihrer Seltenen Erden und 93 Prozent des Magnesiums aus China. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will diese Abhängigkeit verringern. Sie folgt damit US-Präsident Joe Biden, den sie zuvor in Washington besucht hatte.

Kampfansage an die USA

China wurde bei dem Treffen als gefährlicher Störenfried gebrandmarkt, den es einzudämmen gelte. Andere Vorschläge lesen sich allerdings eher wie eine Kampfansage an die USA und ihren „Inflation Reduction Act“, der massive Subventionen für „grüne“ Industrien vorsieht.

Nun will Brüssel mit einem „Netto-Null-Industriegesetz“ dagegenhalten. Bis 2050 soll die Industrie die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null ­herunterfahren. Künftig werde Europa mehr Windräder, Wärmepumpen und Sonnenkollektoren selbst produzieren, so von der Leyen.

„Wir schaffen die besten Rahmenbedingungen“, frohlockte die CDU-Politikerin. Gezielte finanzielle Förderung, mehr Deregulierung und schnellere Genehmigungsverfahren sollen dabei helfen. Doch ob das ausreicht, ist sogar bei deutschen Christdemokraten umstritten.

Der CSU-Politiker Manfred Weber, Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, hat wiederholt vor industriefeindlichen Plänen aus Brüssel gewarnt. Bei einer wichtigen Abstimmung hat sich die EVP zuletzt sogar gegen von der Leyens Pläne gestellt.

Für Ärger sorgt auch die Förderung der Atomkraft. Die EU-Kommission will Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen und grünen Wasserstoff als „saubere“ Technologien einstufen – aber auch die umstrittene Kohlenstoffspeicherung und die Atomkraft.

Die Atomenergie sei „sauber“, sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Allerdings musste der Franzose einen Dämpfer hinnehmen: Gefördert werden sollen nicht die alten französischen Atommeiler, sondern „kleine modulare Reaktoren“, die erst noch entwickelt werden.

Für die Grünen geht aber selbst das zu weit. „Versuche, dieses Gesetz durch die Hintertür für die verstärkte Förderung von Kernenergie zu nutzen, müssen dringend abgewehrt werden“, sagte Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament. Die Linke warnt vor „Deregulierung unter dem Deckmantel der Klimaziele“. Grüne Industriepolitik dürfe nicht heißen, „Blankoschecks an Konzerne zu verteilen“, so Linken-Co-Chef Martin Schirdewan. Die Sozialdemokraten dagegen zeigten sich zufrieden.

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