Wissing blockiert Aus von Verbrennern: E-Fuels könnten Big Oil retten

Die FDP kämpft gegen das Aus für Verbrennermotoren und für den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen. Wer dafür lobbyiert – und wer davon profitiert.

Verkehrsminister Volker Wissing steht mit Anzug am Pult vor einer grünen Wand

Das Land könne nur mit Vorschlägen, nicht mit „Klima-Blabla“ vorangebracht werden, so Volker Wissing Foto: Jörg Halisch/dpa

BERLIN taz | Die FDP hat Europa ins Chaos gestürzt: Sie will dem längst beschlossenen Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 in der Europäischen Union plötzlich nicht mehr zustimmen. Dass die EU-Mitgliedstaaten den im vergangenen Jahr gefallenen Beschluss noch einmal bestätigen, galt eigentlich als reine Formsache. Seit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nicht mehr mitspielen will, haben auch andere Länder signalisiert, an ihrer Unterstützung zu zweifeln. Plötzlich steht das fertige EU-Paket für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr auf der Kippe.

„Wir können unser Land nur mit konkreten Vorschlägen voranbringen, nicht mit Klima-Blabla“, sagte Wissing am Wochenende auf einem FDP-Parteitag in Rheinland-Pfalz, bei dem er erneut zum Landeschef der Partei gewählt wurde. „Wir wollen diesem Land jede technische Innovation offenhalten“, sagte er und sprach sich für die Nutzung synthetischer Kraftstoffe aus, die mittels Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid hergestellt werden. Diese sogenannten E-Fuels können je nach Stromquelle klimaneutral sein – und in Verbrennungsmotoren genutzt werden.

Die neue EU-Regelung soll Neuwagen ab 2035 aber Emissionsfreiheit abverlangen. Das ist ein Kriterium, das Autos mit Verbrennungsmotor nicht erfüllen können. Sie produzieren immer Abgase, auch mit E-Fuels. Das bei der Herstellung der synthetischen Kraftstoffe genutzte Kohlendioxid wird wieder frei, außerdem Gifte wie Stickoxide und Kohlenmonoxid.

Die geplante Regelung entspricht deswegen einem Aus für Verbrennungsmotoren. E-Fuels könnten dann immer noch helfen, vor 2035 zugelassene Verbrenner klimafreundlicher zu machen. Wenn deren Lebenszeit abgelaufen ist, stünde aber der Abschied von den synthetischen Kraftstoffen im Straßenverkehr an. Das verhindert Wissing mit seiner Blockade auf europäischer Ebene.

Viele Autokonzerne setzen freiwillig ein Ausstiegsdatum

Wem brächte es Vorteile, wenn er damit Erfolg hätte? Für E-Fuels setzt sich in Deutschland beispielsweise der Verband der Automobilindustrie ein. „Wir brauchen alle klimafreundlichen Technologien, um die EU-Klimaziele zu erreichen. Es ist daher richtig, dass die Debatte über den Beitrag von E-Fuels nun nochmals geführt wird“, sagte Verbandschefin Hildegard Müller Anfang März. „Nur mit einem Kurs, der technologieoffen alle Lösungspotenziale zulässt, kann Europa seine ambitionierten CO2-Reduktionsziele erreichen.“

Die Technologieoffenheit scheinen die Autokonzerne indes gar nicht unbedingt zu teilen. Viele deutsche Hersteller haben sich selbst freiwillig ein Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor gesetzt, und zwar noch vor 2035: Audi, Volkswagen, Mercedes-Benz, Opel. Audi und Volkswagen sind zwar selbst an Pilotprojekten zur Herstellung von E-Fuels beteiligt, haben aber schon signalisiert, dass das kaum von Bedeutung für die künftige Neuwagenflotte sei. „Synthetische Kraftstoffe sind für uns nur eine Brückentechnologie“, sagte Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann dem britischen Branchen-Magazin TopGear im vergangenen Jahr.

„Etliche Autohersteller setzen in ihren Planungen mittlerweile stärker auf Elektromobilität“, sagt auch Johanna Büchler, Verkehrsexpertin der Deutschen Umwelthilfe. Das gilt aber nicht für die ganze Branche. „Etwa BMW plant weiter große Investitionen in die Verbrennertechnologie“, meint Büchler. Gerade erst ist bekannt geworden, dass der Münchner Konzern sogar noch eine neue Plattform entwickelt, die für Autos mit Verbrennungsmotor genutzt werden kann. Eine Plattform ist eine Art bauliches Fundament für Autos, auf dem dann verschiedene Modelle aufbauen können.

Auch Sportwagenbauer Porsche will seine Flotte nicht zu 100 Prozent elektrifizieren. Erst im Dezember hat er eine Pilotanlage zur E-Fuel-Herstellung in Chile eröffnet, Partner ist unter anderem die Erneuerbare-Energien-Sparte von Mischkonzern Siemens.

E-Autos brauchen weniger Bauteile

Während Autobauer ihre Produkte umstellen können, gibt es aber auch Branchen, denen die Elektromobilität einen Strich durch die Rechnung macht. „Bei der Zuliefererindustrie steht weiter der Verbrenner im Fokus“, so Büchler. Das hat der Expertin zufolge einen einfachen Grund: „Ein Elektroantrieb braucht viel weniger Bauteile als ein Verbrennungsmotor“, erklärt sie. Für Unternehmen, die den Autobauern genau solche Teile liefern, werden E-Autos also wohl nie so lukrativ sein wie die alten Verbrenner.

Auch Zulieferer wie Bosch oder ZF Friedrichshafen sind im Verband der Automobilindustrie organisiert. Sie machen aber auch einen großen Teil des Verbands eFuel Alliance aus, der konkret für E-Fuels lobbyiert und schon im vergangenen Jahr die europäische Einigung zu den emissionsfreien Neuwagen verhindern wollte. Zu der Gruppe gehören auch einige Autokonzerne wie der japanische Autobauer Mazda – und Ölkonzerne wie ExxonMobil.

Teilweise sind diese Ölkonzerne an den Pilotprojekten zur Herstellung von E-Fuels beteiligt. Exxon ist beispielsweise Partner der Porsche-Anlage in Chile. Umwelthilfe-Vertreterin Büchler vermutet aber, dass die Ölwirtschaft mit dem Lobbyismus für E-Fuels nicht nur ihr neues Geschäftsfeld retten will – sondern ihr altes gleich mit.

„Das Interesse der Öllobby ist klar: Es ist ausgeschlossen, dass E-Fuels für den Straßenverkehr in relevantem Umfang zur Verfügung stehen werden“, sagt sie. „Jedes weitere Verbrennerfahrzeug, das noch zugelassen wird, wird auf fossilen Sprit angewiesen sein. Das Festhalten am Verbrennungsmotor dient dazu, einen gewaltigen Absatzmarkt für fossiles Öl langfristig zu sichern.“

Bei E-Autos wird der Strom direkt genutzt

So sieht das auch der Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. „Wir haben rund 50 Millionen Pkw in Deutschland. Die alle mit E-Fuels zu betanken ist weder möglich noch wünschenswert“, sagt der Experte. Klimaneutral sind die Kraftstoffe schließlich nur, wenn sie mit Ökostrom produziert werden – und der muss erst mal irgendwo herkommen.

Das gilt prinzipiell auch für E-Autos. In denen wird der Strom aber direkt genutzt, während es auf dem Weg zum E-Fuel mehrere Umwandlungsschritte gibt. Dabei geht Energie ungenutzt verloren. Man braucht also weniger Ökostrom für Autos mit Elektroantrieb als für solche mit Verbrennungsmotor und E-Fuel-Tankfüllung.

Viele Ver­kehrs­for­sche­r:in­nen sehen synthetische Kraftstoffe eher als Option für Verkehrsmittel, in denen der Einsatz von Batterien schwer ist. Bei Autos ist das nicht der Fall, aber etwa bei Flugzeugen.

Auch Knie sieht hinter dem Lobbyismus für E-Fuels den Versuch, fossile Kraftstoffe weiterzunutzen – und den Stellenwert von Autos im Allgemeinen zu sichern. Der müsste eigentlich schrumpfen, argumentiert der Verkehrsforscher: „Wenn der Verkehr klimafreundlich werden soll, brauchen wir weniger Pkw-Kilometer – egal ob es um E- oder Verbrennungsmotoren geht.“

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