Uni Bremen: noch mehr Rüstungsforschung

WISSENSCHAFT An der Universität Bremen sind weitere Forschungsprojekte aufgetaucht, deren Geld von Rüstungsfirmen kam. Nun wird über die Selbstverpflichtung zur friedlichen Forschung debattiert

„Ich glaube an die freiwillige Selbstverpflichtung“

Wilfried Müller, Rektor Uni Bremen

An der Universität Bremen ist mehr mit Rüstungsfirmen kooperiert worden, als zunächst angenommen. Laut Uni-Rektor Wilfried Müller seien mehrere Forschungsprojekte gefunden worden, die zwischen 2008 und 2011 Geld aus der Rüstungsindustrie erhalten haben – obwohl seit 1986 eine Selbstverpflichtung zur friedlichen Forschung, die sogenannte Zivilklausel, an der Uni besteht. Am Mittwoch berichtete Müller dem Akademischen Senat, dem obersten Beschlussgremium der Uni, es gehe jeweils um Forschungsmittel zwischen 20.000 und 50.000 Euro, insgesamt 228.000 Euro.

Vergangene Projekte seien nach Geldgebern aus der Rüstungsindustrie durchsucht worden, so eine Uni-Sprecherin. Genaueres soll bis zur nächsten Sitzung im Juni geklärt werden.

Am Dienstag war durch Recherchen von Radio Bremen bekannt geworden, dass zwischen 2003 und 2006 ein Kooperationsprojekt der Uni mit dem Bremer Satellitenbauer OHB vom Verteidigungsministerium bezahlt wurde (taz berichtete). Wegen einer Stiftungsprofessur von OHB war 2011 die Diskussion um die Zivilklausel neu entflammt. Im Januar hatte die Uni ihre Selbstverpflichtung zur friedlichen Forschung erneuert.

Dass die nun aufgetauchten Projekte dagegen verstoßen könnten, dafür habe damals noch „die Sensibilität gefehlt“, so Müller. Die Uni beziehe 90 bis 100 Millionen Euro an Drittmitteln, etwa 700 Anträge würden im Jahr bearbeitet. Militärischer und ziviler Nutzen seien nicht immer auseinanderzuhalten.

Gefordert seien vor allem die Fachbereiche: „Wir stehen völlig im Leeren, wenn es nicht die Bereitschaft gibt, mitzuarbeiten“, so Müller. Bis Juni will Müller ein neues Verfahren vorschlagen, wie Rüstungsforschung definiert werden könne. Verbote oder die Aufnahme einer Zivilklausel ins Hochschulgesetz, wie von der Bremer SPD und Linkspartei gefordert, lehnt Müller weiter ab: „Ich glaube an die freiwillige Selbstverpflichtung.“

Auch Eva Kowalzik vom Asta der Hochschule Bremen sah bislang in gesetzlichen Regelungen eine Gefahr für die Wissenschaftsfreiheit. Aber nach den jüngste Ereignissen „musste ich umdenken“, so Kowalzik. An der Hochschule läuft derzeit eine Diskussion über eine Zivilklausel nach Uni-Vorbild.

Die Hürden sind hoch: Ein Formulierungsvorschlag der Ethik-Kommission für eine Zivilklausel sei bereits ignoriert worden, sagt Kowalzik. Dabei hatte die Kommission vom Akademischen Senat den Auftrag bekommen, eine Klausel zu erarbeiten und, sagt der Asta, auch einen Kompromiss gefunden. Am Dienstag allerdings stand der zur Abstimmung im Akademischen Senat nicht mehr auf der Tagesordnung. „Einige Technik-Professoren haben Druck aufs Rektorat ausgeübt“, sagt ein Mitglied der Ethik-Kommission. Kowalzik befürchtet, dass es zu einer „aufgeweichten“ Zivilklausel kommt. „Es gab noch keinen Konsens“, sagt hingegen Hochschul-Rektorin Karin Luckey.

Mehrfach kooperierte die Hochschule mit der Rüstungsfirma Rheinmetall Defence. Etwa 2007 bei Argus: Die „Flugdrohne soll zivile und militärische Aufgaben erfüllen“, heißt es auf der Projekt-Website. KIS