Studie zu Pestiziden: Synthetische sind gefährlicher

Pestizide für den Ökolandbau sind nicht so schädlich für Mensch und Umwelt wie konventionelle Wirkstoffe. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie.

Pflanzenschutzmittel wird mit einem Traktor auf einem Acker aufgesprüht

Pestizide: Dünger für die jungen Zuckerrüben Foto: Jochen Tack/imago

BERLIN taz | Anders als die Agrarlobby behauptet, sind Pestizide für die Biolandwirtschaft nicht so gefährlich für Mensch und Umwelt wie konventionelle Mittel. Das schreiben zwei Wissenschaftler der österreichischen Umweltorganisation Global 2000 und ein Professor der Wiener Universität für Bodenkultur in einer Studie in der Fachzeitschrift Toxics. Pestizide tragen maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben. Viele können der Gesundheit schaden.

Einige konventionelle Landwirte und Vertreter der Chemieindustrie versuchen aber, die Risiken zu relativieren, indem sie darauf verweisen, dass auch Ökolandwirte Pestizide spritzen würden. Tatsächlich sind in der EU der Studie zufolge 256 chemisch-synthethische Wirkstoffe nur für die konventionelle Landwirtschaft und 134 natürliche für die ökologische zugelassen. „Behauptungen, dass synthetische und natürliche Pestizide ähnlich giftig seien, untergraben auch die Bemühungen der EU-Kommission, den Pestizideinsatz zu senken,“ sagte Studiencoautor Helmut Burtscher-Schaden.

55 Prozent der von der EU nur für die konventionelle Landwirtschaft zugelassenen Pestizidwirkstoffe tragen der Studie zufolge mindestens einen der offiziellen Gefahrenhinweise wie “Kann vermutlich Krebs erzeugen“, „Kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen“ oder „Sehr giftig für Wasserorganismen“. Aber nur 3 Prozent der natürlichen Wirkstoffe, die auch im Ökolandbau erlaubt sind, müssen demnach so eine Warnung führen. Die Aufsichtsbehörden schreiben diese Hinweise auf den Etiketten vor, wenn die Gefahren im Zulassungsverfahren nachgewiesen worden sind.

Krebsverursachende Wirkstoffe

8 Prozent der konventionellen Wirkstoffe stehen laut der Analyse im Verdacht, menschliche Embryonen oder Föten zu schädigen, 7 Prozent werden verdächtigt, Krebs zu verursachen. Weitere 7 Prozent könnten Organschäden verursachen, 5 Prozent sind beim Verschlucken giftig und weitere 3 Prozent sind beim Verschlucken tödlich. Hingegen habe keiner der Bio-Wirkstoffe diese Gefahrenklassifizierungen.

Zudem sind den Wissenschaftlern zufolge 40 Prozent der konventionellen Wirkstoffe als sehr giftig für Wasserorganismen eingestuft worden, aber nur 1,5 Prozent der ökologischen Substanzen. 50 Prozent der konventionellen Stoffe sind demnach als schädlich, giftig oder sehr giftig für Wasserlebewesen mit lang anhaltenden Wirkungen bei Langzeit-Aufnahme klassifziert – im Vergleich zu nur 1,5 Prozent der Bio-Stoffe.

Bei 93 Prozent der konventionellen und nur 7 Prozent der Bio-Wirkstoffe hielt es die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit den Autoren zufolge für nötig, Höchstmengen festzulegen, die ohne zu großes Gesundheitsrisiko dem Körper zugeführt werden können. Unter den Öko-Wirkstoffen hatten die Insektizide Spinosad, Pyrethrine und Azadirachtin sowie das Fungizid Thymol die niedrigsten akzeptablen Werte. Bei den konventionellen lagen die Dosen aber erheblich niedriger. Das betraf die synthetischen Herbizide Tembotrion, Sulcotrion, Fluometuron, Metam und Diclofop sowie die zwei Insektizide Emamectin und Oxamyl.

Diese Ergebnisse stehen Burtscher-Schaden zufolge im Einklang mit anderen Studien. „Das globale Insektensterben, der weltweite Rückgang von Amphibien oder schädliche Auswirkungen auf aquatische Ökosysteme werden in der überwiegenden Mehrzahl der veröffentlichten Studien nicht mit natürlichen, sondern mit synthetischen Pestizidwirkstoffen in Verbindung gebracht“, so der Biochemiker. Außerdem würden nicht natürliche, sondern synthetische Pestizide in abgelegene Naturschutzgebiete und zu Gletschern sowie über die Nahrungskette in den Körper von Tieren und Menschen gelangen, die sonst nicht mit diesen Stoffen in Berührung kämen.

“Es ist klar, dass die in der konventionellen Landwirtschaft zugelassenen synthetischen Wirkstoffe weitaus gefährlicher und problematischer sind als die in der Biolandwirtschaft zugelassenen natürlichen Wirkstoffe“, sagte Jan Plagge, Präsident des deutschen Öko-Verbands Bioland und des europäischen Biodachverbands Ifoam Organics Europe. Außerdem würden sich Biobetriebe auf vorbeugende Maßnahmen wie die Verwendung robuster Sorten, sinnvolle Fruchtfolgen, die Erhaltung der Bodengesundheit und die Erhöhung der Artenvielfalt auf dem Feld konzentrieren, um den Einsatz von Pestiziden zu vermeiden. „Aus diesem Grund werden auf rund 90 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen (vor allem im Ackerbau) keinerlei Pestizide eingesetzt, auch keine natürlichen Stoffe“, teilte Plagge mit.

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