Kein Platz für Bedienstete

Die Gemeinde Sylt will die illegale Vermietung von Ferienwohnungen mit einem Beherbergungskonzept eindämmen, damit wieder mehr Wohnraum für Einheimische und Beschäftigte zur Verfügung steht. Der Kreis Nordfriesland kündigt an, unabhängig davon ab sofort zu kontrollieren

Zu selten für Einheimische: Häuser auf Sylt Foto: Carsten Rehder/dpa

Von Malek Tellissi

Auf Sylt ist Wohnraum knapp – und das liegt auch daran, dass zu viele Ferienwohnungen dem Mietmarkt entzogen werden, weil sie an Touristen vermietet werden. Nun will die größte Gemeinde der Insel gegen den Wildwuchs an Ferienwohnungen vorgehen. Vertreter der Gemeinde Sylt entscheiden am 16. März über die Aufnahme eines Beherbergungskonzeptes (BHK) in den Bebauungsplan.

Das BHK würde, wenn es denn beschlossen wird, einheitlich regeln, unter welchen Bedingungen die Vermietung an Feriengäste erlaubt ist. Eine Lübecker Beratungsfirma hat ein solches Konzept erarbeitet. Darin wird zunächst die Wohnraumsituation der größten Inselgemeinde erfasst – und erstmals werden zumindest stichprobenartig auch illegal vermietete Immobilien erhoben. Burkhard Jansen, Fachbereichsleiter Bauen im Kreis Nordfriesland, schätzt den Anteil der ungenehmigten Ferienwohnungen und -häuser inselweit auf mehr als 25 Prozent.

Leidtragende sind auf der Insel Arbeitende und die Einheimischen. Menschen wie Birte Wieda: „Ich bin in Keitum, einem Teil der Großgemeinde Sylt, aufgewachsen“, sagt sie. „Gerade weil ich hier groß geworden bin, den Ort noch mit Lebensmittelläden, Bäckern und Schule kenne, vermisse ich Licht in den Häusern und das dörfliche System, das aus sich heraus lebt.“ Wieda ist Initiatorin von „Merret reicht’s“, einer Bürgerinitiative, die sich im März 2020 gegründet hat.

„Uns fehlt es nicht an Wohnraum, er wird nur falsch genutzt“, sagt Wieda. Während der Pandemie sei die Insel selbst der Kurgast gewesen, schreibt die Initiative auf ihrer Internetseite. Sylt habe sich vom Übertourismus erholt. Man habe verstanden, dass ein Umdenken nötig sei, es so nicht weitergehen könne.

Etwa 4.000 Menschen kommen jeden Tag vom Festland zum Arbeiten auf die Insel. Das Beherbergungskonzept schaffe eine Grundlage, um die Probleme zu lösen. „Orte wie Kampen und Rantum sind schon stark von Bevölkerung entleert“, sagt Wieda. „Da ist viel Wohnraum ungenutzt, den die Insel so dringend braucht.“ Als Folge fehlten die Menschen, besonders Vereine und die Feuerwehren merkten das. „List hatte zeitweise schon eine Zwangsfeuerwehr“, sagt Wieda. In einer Pressemitteilung schreibt sie: „Es wird für Inselnatur, Bewohner, Infrastruktur und Gäste zu viel!“ Die Insel sei nicht ausgelegt für den Massentourismus, deswegen müsse der Neubau von Ferienwohnungen deutlich eingeschränkt werden.

Von der Entscheidung über das Beherbergungskonzept ausgenommen sind die umliegenden Gemeinden Hörnum, Kampen, List und Wenningstedt-Braderup. Sie haben eigene Gemeindevertretungen.

Die Initiative „Merret reicht’s“ hofft, dass die Sylter Gemeindevertreter für das Konzept stimmen. „Am liebsten ohne Wenn und Aber – die Feinjustierung kommt erst in den Bebauungsplänen“, sagt Birte Wieda. Der stellvertretende Bürgermeister Carsten Kerkamm (CDU) ist optimistisch, dass das BHK verabschiedet wird. Er verweist auf den Beschluss des Bauausschusses – einstimmig hatte dieser im September 2022 für das BHK gestimmt.

Schon ganz schön zersiedelt: Sylt aus der Luft Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Wieda sagt, die Wirkung eines Beherbergungskonzeptes würde sich erst in frühestens drei bis fünf Jahren zeigen. Aber: Ein positiver Beschluss der Gemeindevertretung wäre der erste Schritt, „um das Knäuel aus Recht und Gewohnheitsrecht zu entwirren“.

Kontrolliert wird die illegale, aber lukrativere Ferienwohnungsvermietung bislang nur nach Hinweisen an den Kreis Nordfriesland. Ein Sprecher erklärt, es habe dafür bislang an Personalstärke gefehlt, die der Kreistag mit dem Haushalt und dem Stellenplan 2023 nun ermögliche. Der Kreis müsse „systemgerecht“ vorgehen, also ganze Gebiete auf Genehmigungen überprüfen, nicht nur Einzelfälle. Auch die Rechtslage sei lange Zeit uneindeutig gewesen – die Legaldefinition von Ferienwohnungen gebe es erst seit 2017. Ab sofort wolle der Kreis in allen Tourismus­orten Nordfrieslands kontrollieren.

„Wir werden unsere Kontrollen deutlich intensivieren, unabhängig vom Beschluss. Wir arbeiten Plangebiete systematisch ab, nicht auf Anzeige“, kündigt der Sprecher an. Um eine Immobilie nachträglich zu legalisieren, müsse diese dem Baurecht entsprechen, also der Landesbauordnung und dem geltenden Bebauungsplan.