Autokrat an der Spitze

Forschungspolitische Götterdämmerung bei Fraunhofer Gesellschaft

Von Manfred Ronzheimer

Bei der Fraunhofer-Gesellschaft, Deutschlands größter Organisation für angewandte Forschung, spitzt sich der Streit um Präsident Reimund Neugebauer zu. Inzwischen geht sogar Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger auf Distanz und fordert einen „schnellstmöglichen personellen Neustart im Vorstand“. Ob Neugebauer nach elfjähriger Präsidentschaft erst im September wie geplant den Staffelstab übergeben wird, ist ungewisser denn je. Abrupte Änderungen liegen in der Luft.

Der autokratische Führungsstil Neugebauers wird in der Forschungsgesellschaft (76 Institute, 30.000 Mit­arbeitende, 3 Milliarden Euro Umsatz 2022) intern schon länger kritisiert. Stellvertreter flüchteten reihenweise aus dem Vorstand. Der lockere Umgang mit Spesenabrechnungen von Dienstreisen kulminierte in einem kritischen Bericht des Bundesrechnungshofs, der zahlreiche Verstöße gegen das Zuwendungsrecht attestierte. Der Bericht beschäftigte in der ersten Märzwoche auch den einflussreichen Haushaltsausschuss des Bundestags, der zugleich in einem „Maßgabebeschluss“ dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auferlegte, seine „Mängel im Zusammenhang mit der eigenen Kontrollfunktion“ abzustellen. FDP-Ministerin Stark-Watzinger sicherte in einer öffentlichen Erklärung zu, „dass sich die Verstöße nicht wiederholen und die Fraunhofer-Gesellschaft schneller zu einer modernen Governance und tragfähigen Compliance-Standards kommt“.

Parallel zur politischen Behandlung der Affäre Neugebauer reagierte intern der Betriebsrat der Organisation. In einem Brandbrief an den Vorstand stellte die Beschäftigtenvertretung fest, dass das „Vertrauen in die Zentrale insgesamt zerrüttet ist“. Die Innen- wie die Außenwirkung der Vorwürfe sei katastrophal. „Wir sind die Forschungsgesellschaft für exzellente Forschung, und unser Vorstand ist sich nicht zu schade, bei Hotel- oder Bewirtungsregeln Vorteile für sich zu ziehen oder den Dienstwagen für Privatfahrten zu nutzen?“, fragt der Betriebsrat.

Die Aufforderung zum sofortigen Rücktritt Neugebauers kommt inzwischen sogar aus den Regierungsfraktionen, etwa vom Grünen Bruno Hönel. Auch der ehemalige Staatssekretär im BMBF, Thomas Sattelberger, twitterte: „Tritt zurück, Neugebauer! Gib Fraunhofer die Chance zum schnellen Neustart.“ Von den großen Organisationen der deutschen Forschungsförderung, wie der Max-Planck-Gesellschaft oder der Helmholtz-Gemeinschaft, gibt es allerdings kein kritisches Wort zu den Vorgängen bei der Schwestereinrichtung – das „Krähen-Prinzip“ funktioniert.