kritisch gesehen: „mord im orientexpress“ in bremerhaven
: Mord genau nach Fahrplan

Wissen Sie, wer’s getan hat? Ja, wahrscheinlich. Schließlich dürften drei Dinge über Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ zum allgemeinen Kulturgut zählen: Der Zug, Hercule Poirot – und wer der Mörder ist. Im Grunde ist es schon komisch, dass so ein Krimi-Text sich inklusive der Überraschung am Ende herumsprechen kann und trotzdem weiter gekauft, gelesen, gleich mehrfach verfilmt und auf Theaterbühnen gebracht wird – der Spannung wegen. In Bremerhaven nun hat Regisseur Andreas Kloos den berühmten Kriminalfall von 1934 fürs Stadttheater inszeniert. Mit ein bisschen Musik, einem Tanz, sehr viel Schauspiel und unterm Strich zwar arm an Überraschungen, dafür aber eben werktreu.

Ein bisschen klamottig ist der Abend. Das gilt für Viola Schützes historisch anmutenden Kostüme, zahlreiche Slapstickeinlagen und vor allem für die Akzentparade, die bei Isabel Zeumers russischer Prinzessin Dragomiroff startet, über Nikola Frehsees schwedischen Einschlag in der Stimme Greta Ohlssons weitergeht – und bei Frank Auerbach in der Hauptrolle nicht endet: Er lässt den Belgier Poirot durchweg französeln. Ein kleiner, aber feiner Seitenhieb gegen Ende: Poirot, der wütend ausruft, er werde doch verarscht: „Hier spielen doch alle nur Theater!“

Ein echter Zug rollt von Sven Hansens Bühne, mit Nebelmaschine, Pfeifen und so weiter. Tatsächlich ist die Ausgestaltung des Spielraums ein Highlight: mit kleinen charmanten Abteilen, einem gediegenen Speisewagen und allerlei Aufs und Abs von Hebebühnen, dank derer sich das Geschehen auf dem Gang und in den Abteilen in all seiner Gleichzeitigkeit bezeugen lässt.

Dass Kloos die Spannung selbst bei bekannter Auflösung über zweieinhalb Stunden halten kann, ist unter anderem Ken Ludwigs Dramatisierung des Romans zu verdanken, die tatsächlich mit bemerkenswertem Schwung durch den Stoff fegt. Wobei auch die gesamte Bremerhavener Besetzung – immerhin sieben Fahrgäste plus Detektiv und Mitarbeiter – gut mithält. Gerade die Balance zu halten zwischen Slapstick und den kleinen psychologischen Duellen von Detektiv und Verdächtigen: Das ist eine Herausforderung. Dass sie gelingt, als wäre nichts dabei, ist das Geheimnis leichter wie guter Unterhaltung.

Kurz gesagt: Dieser „Mord im Orientexpress“ macht Spaß, ist lustig und dabei noch hübsch anzuschauen. Was dann, als der Vorhang fällt, auch das Publikum im Stehen bekundet.

Mord im Orientexpress: wieder am 10., 16., 19 + 24. 3., Stadttheater Bremerhaven, Großes Haus

Jan-Paul Koopmann