UN-Hochsee-Abkommen: Mehr Schutz für Weltmeere

Die Hochsee ist ein nahezu rechtsfreier Raum – was den Arten- und Naturschutz dort bislang schwierig macht. Ein UN-Abkommen soll das nun ändern.

Industrieller Fischfang in Norwegen Foto: Imago

CHIANG MAI taz | Konsens durch Erschöpfung, so lautet eine altbewährte Methode der internationalen Umweltdiplomatie. In New York hat sie am Wochenende einmal mehr zum Erfolg geführt: Nach 38-stündigem Verhandlungsmarathon haben sich die UN-Staaten auf ein Abkommen geeinigt, das erstmals überhaupt den Arten- und Naturschutz auf Hoher See international regeln soll. „Das Schiff hat die Küste erreicht“, sagte Konferenzpräsidentin Rena Lee zum Abschluss der zweiwöchigen Beratungen am Samstagabend (Ortszeit).

Konkret sieht das Abkommen zur Implementierung der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS) vor, Hochseegebiete unter Schutz zu stellen und dort Fischfang oder Unterwasserbergbau zu verbieten. Die Hochsee umfasst alle Meeresgebiete außerhalb der 200-Meilen-Zone (370 Kilometer jenseits der Küste) und macht zwei Drittel der Meeresfläche sowie knapp die Hälfte der Erdoberfläche aus. Bislang war dort die Ausweisung von Schutzgebieten nicht möglich, da dort faktisch rechtsfreier Raum herrschte.

Die Einigung leistet einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des Artenschutzabkommens, das im vergangenen Dezember in Montréal verabschiedet wurde. Dieses hat zum Ziel, bis zum Jahr 2030 Schutzgebiete auszuweisen, die 30 Prozent der Land- und Meeresfläche des Planeten abdecken. Doch ohne die Möglichkeit, auch Hochseegebiete unter Schutz zu stellen, wäre dieses Ziel kaum zu erreichen.

Das Abkommen vom Wochenende muss nun an einer Folgekonferenz noch formell verabschiedet werden und tritt in Kraft, sobald es 60 Länder ratifiziert haben. Anschließend kann an Konferenzen der Vertragsparteien entschieden werden, wo die neuen Schutzgebiete sind. Entscheidend ist hier, dass dafür kein Konsens erforderlich ist, sondern Mehrheitsentscheidungen reichen. Heißt: Ein einzelnes Land kann kein Schutzgebiet verhindern.

Die Reaktionen auf die Einigung fielen positiv aus. Umweltorganisationen wie Greenpeace und der WWF lobten das Abkommen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach am Sonntag von einem „historischen und überwältigendem“ Verhandlungserfolg.

Artenvielfalt aber „ein gemeinsames Erbe“

Dem nun erreichten Konsens gingen fast 15 Jahre Verhandlungen voraus. Erst im vergangenen Sommer war eine Konferenz ergebnislos vertagt worden. Größter Knackpunkt war bis zuletzt die Aufteilung der Gewinne aus der Nutzung genetischer Ressourcen im Meer. Bislang sind rund 230.000 Tier- und Pflanzenarten im Meer bekannt, aber wahrscheinlich gibt es mehrere Millionen Arten. Das Erbgut der noch unbekannten Arten könnte den Schlüssel für die Entwicklung neuer Medikamente enthalten – und daher sehr wertvoll sein.

Doch die Erforschung der Tiefsee ist kostspielig und wird nur von reichen Ländern betrieben. Aus Sicht der Entwicklungsländer sind die Hochsee und die dortige Artenvielfalt aber „ein gemeinsames Erbe“ der Menschheit und daher forderten sie, von der Kommerzialisierung der genetischen Ressourcen ebenfalls finanziell zu profitieren. Wie genau dieses Problem schließlich überwunden werden konnte, war direkt nach Abschluss der Konferenz aber noch unklar, weil der Text zunächst nicht veröffentlicht wurde.

Ein weiterer Streitpunkt waren die Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten, die potentiell eine Gefahr für die Artenvielfalt im Meer darstellen, zum Beispiel der Unterwasserbergbau. Der Meeresboden ist an manchen Stellen reich an verschiedenen Metallen wie Mangan und Firmen aus einigen Ländern wollen diese Vorkommen ausbeuten. Dabei wird viel Sand aufgewirbelt, was eine Gefahr für manche Arten darstellen kann. Aus diesem Grund fordern viele Staaten ein Moratorium für den Unterwasserbergbau. Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) hat allerdings nicht die Möglichkeit, Anträge für Abbaulizenzen pauschal abzulehnen.

Geld spielte nur eine Nebenrolle

Indem das neue Abkommen nun verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfungen für derartige Aktivitäten schafft, ist die ISA nun besser in der Lage, Umweltaspekte bei der Vergabe von Abbaulizenzen zu berücksichtigen. Wie genau die Regeln für diese Prüfungen aussehen, lässt sich aber noch nicht sagen.

Im Unterschied zu anderen Umweltkonferenzen spielte Geld bei den Verhandlungen am UN-Sitz nur ein Nebenrolle. So hat die EU 40 Millionen Euro zugesagt, um ärmere Länder bei der Ratifizierung und Umsetzung des neuen Abkommens zu unterstützen.

Zudem wurde vor dem Durchbruch in New York bei einer anderen Ozean-Konferenz in Panama ebenfalls eine Einigung erzielt: Die Teilnehmer sagten fast 20 Milliarden US-Dollar (18,8 Milliarden Euro) für den Schutz der Meere zu. Allein die USA versprachen fast sechs Milliarden Dollar für 77 Projekte. Zudem sind einige große, wohltätige Organisationen im Meeresschutz aktiv.

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