Berliner Ausstellung „Gestern wie heute“: Wanderer zwischen den Welten

In seiner Kunst fungiert Said Baalbaki als Sammler und Forscher. Zu sehen sind seine Werke in der Galerie Nord in Moabit.

Glasvitrinen mit skelletartigen Skultpuren darin

In Vitrinen stehen Skelette der geflügelten Reittiere „Al Burak“, Installation von Said Baalbaki Foto: Michael Zeeh

Es sind gleich mehrere Rollen, die Said Baalbaki in seiner Ausstellung „Gestern wie heute“ in der Galerie Nord annimmt. In dem mittleren und größten Raum kann man den Künstler, der seit zwanzig Jahren in Berlin-Moabit lebt, als Maler und Gestalter von Skulpturen kennenlernen. Im linken Raum wird er zu einem Geschichtenerzähler, der in Mythen und Abenteuer der Archäologie eintaucht.

Wie ein Kabinett in einem wissenschaftlichen Museum ist dieser Raum gestaltet, der sich um Al Burak, das geflügelte Reittier des Propheten Mohammed dreht. Im rechten Raum schließlich erweist sich Said Baabaki als Sammler und Forscher, der dem Schicksal eines vergessenen Künstlers, Jussuf Abbo, nachgegangen ist.

Unter dem Titel „Der heimatlose Prinz – Das Jussuf-Abbo-Projekt“, stellt er den Zeichner und Bildhauer vor, der 1911 aus Syrien nach Berlin kam und in den folgenden Jahren in der Kunstszene Berlins Fuß fasste, mit Else Lasker-Schüler befreundet war, mit Illustrationen in Büchern und mit Skulpturen in Ausstellungen gegenwärtig war. Bis ihn, den Sohn jüdisch-syrischer Eltern, der Nationalsozialismus in die Emigration zwang und er als Künstler vergessen wurde.

Diese vielen Rollen können bei Be­su­che­r:in­nen der Ausstellung zunächst Verunsicherung auslösen. Was ist von ihm, was ist von anderen? Was ist Behauptung, was ist Fakt? Aber bald lässt sich das in der Begegnung mit den Werken sortieren. Und der Zustand der Verunsicherung ist ein entscheidendes Element in Baalbakis Werk, ein roter Faden, der seine unterschiedlichen Rollen miteinander verbindet.

Der westliche Blick auf den Orient

Said Baalbaki kommt aus dem Libanon und pendelt oft zwischen Berlin und Beirut. Der westliche Blick auf den Orient beschäftigt ihn dabei wie in der Installation „Al Burak“. Sie gleicht mit ihrer geprägten Stofftapete, den eleganten Vitrinen aus Holz und Glas einem Museumsraum, der die Schönheit von Artefakten der islamischen Kultur auch wie ein Märchen feiert.

Hier ist der Geist des Staunens und der aufgeregten Entdeckungen lebendig, wie in den Abenteuerfilmen über archäologische Ausgrabungen. Viele historische Abbildungen von mythischen geflügelten Tieren, Pferden, Sphingen und Stieren finden sich in den Vitrinen, die in den begleitenden Texten als Sammlung des deutschen Archäologen Werner von Königswald ausgegeben werden.

Galerie Nord in Moabit, Turmstraße 75, geöffnet von Dienstag bis Samstag, 12–19 Uhr, bis 8. April.

Doch von Königswald ist ebenso eine Erfindung von Said Baalbaki wie der Ornithologe Heinrich Ralph Glücksvogel, mit dem von Königswald einen Knochenfund aus Jerusalem diskutierte, von dem er glaubte, das er das Skelett des sagenhaften Al Burak, des Reittiers des Propheten, darstellte. Rekonstruktionen des Skeletts, mal mit Tier-, mal mit menschlichem Kopf, mal mit Flügeln, mal auch mit Händen, finden sich vielfach in den Vitrinen.

Die vielen Diskussionen, die heute um die kolonialen Machtverhältnisse der Zeit gehen, in denen museale Sammlungen entstanden, kommen einem zwar beim Betrachten dieses fiktiven Museums in den Sinn, zumal auch eine Grabungserlaubnis ausgestellt ist. Aber die Installation umschifft diesen Diskurs und erfreut sich mehr an der Erzeugung von Glaubhaftigkeit, an der Nachahmung der Sprache der Wissenschaft, an den Darstellungsformen der Museen, die eben lange Zeit den Kontext der Machtverhältnisse ausblendeten.

Visuell anziehende Arbeiten

Der Künstler Said Baalbaki ist in diesem Raum Inszenator, Ausstatter, Erfinder und Erzähler. Anders zeigt er sich in seinen Gemälden und Skulpturen. Bilder von gestapelten Koffern in melancholisch dunklen Farben kann man zu seinem Weg aus dem Bürgerkriegsland Libanon nach Berlin in Beziehung setzen. Das Bild eines Kohlenträgers, als Sisyphos betitelt, hängt mit der Erfahrung der Berliner Winter in Ofenheizungswohnungen zusammen. Aber das Material Brikett, die glänzen wie glasierte Ziegel, nutzt er auch zum Bau architektonischer Modelle.

Visuell anziehend und zunächst geheimnisvoll sind skulpturale Arbeiten, in denen Gürtel, in Metall nachgegossen, Schriftzeichen nachbilden. Das Elegante der Kalligraphie steht in einem spannenden Gegensatz zu dem Objekt Gürtel, der auch etwas Bedrohliches hat. Die Schriftzeichen zitieren aus dem Koran, etwa deutsch übersetzt „Kein Zwang im Glauben“. Damit wird eine symbolische Ebene eingeführt. Seine Erfahrungen zwischen Berlin und Beirut bilden dabei in seinen Skulpturen und Gemälden einen Anker.

Der emotionalste Teil der Ausstellung ist das Kapitel über Jussuf Abbo. Said Baalbaki hat viele Jahre geforscht und gesammelt, um Dokumente und Werke des verdrängten Künstlers präsentieren zu können. Seine kleinen Skulpturen stehen jetzt auf großen Transportkisten als Sockeln, was noch einmal ihre Verletzlichkeit hervorhebt. Seine Figuren haben oft etwas Inniges, eine nach innen gekehrte Energie. Ein Liebespaar aus einer Grafikmappe verschmilzt von dunklen, dicken Umrisslinien gehalten fast zu einer Figur.

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