Militärübung vor Südafrikas Küste: „Zu Gast in Kapstadt“

Ab Freitag halten China und Russland für zehn Tage ein Marine-Manöver vor Südafrikas Küste ab. Kritiker werfen der Regierung mangelnde Neutralität vor.

Ein Segelboot mit ukrainischer Flagge vor einem Kriegsschiff

Protest gegen ein russisches Kriegsschiff im Hafen von Kapstadt am 14. Februar Foto: Nardus Engelbrecht/ap

KAPSTADT taz | Es war nicht nur der Vorsitzende der „Ukraine Gesellschaft Südafrikas“, Dzvinka Kuchar, der gegen die Ankunft eines russischen Kriegsschiffes im Hafen von Kapstadt letzte Woche protestierte: „Südafrika behauptet, neutral zu sein gegenüber den kriegführenden Parteien in unserem Land. Aber warum diese Kriegsspiele jetzt, genau ein Jahr, nachdem unser Land überfallen wurde und Millionen unschuldiger Menschen Opfer von Mord und Vertreibung wurden?“, fragt sich Kuchar.

Mutig zeigten sich am vergangenen Dienstag mehrere Frauen, die auf einem einfachen Boot mit ukrainischer Flagge so nah an der Fregatte auf und ab fuhren, dass die russische Besatzung keine Ferngläser brauchte, um die hochgehaltenen Schilder auf Englisch und Russisch lesen zu können: „Stoppt den Krieg!“

Auf politischer Ebene hatte der Bürgermeister von Kapstadt, Geordin Hill-Lewis, der zur oppositonellen Partei Democratic Alliance (DA) gehört, auf Afrikaans getweetet: „Voetzek!“ („Haut ab!“). Innerhalb kürzester Zeit hat sich der Tweet landesweit verbreitet. Hill-Lewis fügte noch hinzu: „Kapstadt möchte nicht zum Komplizen in Russlands schmutzigem Krieg werden.“

Er antwortete damit direkt auf eine Mitteilung des russischen Konsulats, in der ein Foto des Kriegsschiffes vor der malerischen Kulisse des Tafelbergs unter der Überschrift „Zu Gast in Kapstadt“ platziert war.

„Rauch“ vor der Küste Südafrikas

Inzwischen hat die Fregatte „Admiral Gorschkow“ Kapstadts Hafen in Richtung Durban verlassen, wo nun seit Freitag, dem 17. Februar, für zehn Tage vor der Küste von Kawazulu-Natal die gemeinsame Marine-Übung „Mosi II“ durchgeführt wird. „Mosi“ bedeutet Rauch in der südafrikanischen Tswana-Sprache und ist die Fortsetzung von „Mosi I“, die 2019 noch vor dem russischen Überfall auf die Ukraine stattfand.

Besonders provokant ist nicht nur, dass die „Admiral Gorschkow“ deutlich sichtbar die Großbuchstaben „Z“ und „V“ auf beiden Seiten des Schiffes markiert hat, die alle russischen Kampffahrzeuge in der Ukraine als Zeichen des Sieges tragen, sondern dass, laut russischer Presseagentur TASS, bei der bevorstehenden Übung auch hyperschnelle Zircon-Raketen abgeschossen werden sollen.

Diese Raketen seien bislang zu schnell gewesen, um von Nato-Abwehrsystemen geortet werden zu können. Das Verteidigungsministerium Südafrikas hat dies auf Nachfrage mit der Aussage dementiert, dass „gemäß zwischen China, Russland und Südafrika unterzeichnetem Protokoll keinerlei Raketen während der Übungen bis zum 27. Februar von unserer Küste abgeschossen werden.“

Die starke Brics-Verbindung, im Hintergrund

Die Haltung Südafrikas hat jedoch noch andere internationale Bedingungen, die weit über militärstrategische Details hinausgehen: Als Gegenpol zum wirtschaftlich führenden G8-Zusammenschluss (seit dem Ausscheiden Russlands nur noch G7) wurde 2009 die Brics-Vereinigung gegründet, zu dem zunächst Brasilien, Russland, Indien und China gehörten und dem dann auch Südafrika hinzutrat. Während die G8-Staaten die ökonomischen Weltmächte repräsentieren, vertreten die Brics-Länder bei Weitem die Mehrheit der Weltbevölkerung. Derzeit hat Südafrika den Vorsitz bei Brics inne.

Noch vor Ende Januar hatte Südafrikas Außenministerin, Naledi Pandor, ihren russischen Gegenpart Sergej Lawrow in der südafrikanischen Regierungshauptstadt Pretoria mit allen Ehren empfangen und am Ende den „Fortschritt auf allen Ebenen in der Zusammenarbeit beider Länder“ gelobt.

Bemühungen des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, vor dem Parlament Südafrikas via Video zu sprechen, wurden bisher nicht beantwortet.

Immer wieder betont demgegenüber Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, „wie wichtig die historische Erfahrung Südafrikas“ sei. „Scheinbar unüberwindbare Konflikte“ seien „am Ende nur durch Verhandlungen zu lösen“, so Ramaphosa, und es wolle „deshalb Südafrika eine neutrale Position als möglicher Vermittler behalten“. So stimmig diese Aussage im Prinzip ist, so unübersehbar diplomatisch heikel bis politisch unakzeptabel ist die Gratwanderung Südafrikas, deren Mitgliedschaft in Brics bislang deutlich bestimmend ist.

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