Änderung der Hamburger Verfassung: Antiziganismus bleibt unerwähnt

SPD, Grüne und CDU wollen Kampf gegen Antisemitismus in die Verfassung heben. Sin­ti:z­ze und Ro­m:n­ja beklagen, dass sie unerwähnt bleiben.

Gedenkort, an dem Blumenkränze niederglegt sind

Gedenkort im Hamburger Lohsepark: Erinnert wird hier an Jü­d:in­nen wie an Sin­ti:z­ze und Ro­m:n­ja Foto: Christophe Gateau/dpa

HAMBURG taz | Am Mittwoch will in Hamburg die regierende Koalition aus SPD und Grünen zusammen mit der oppositionellen CDU die Landesverfassung ändern. Erstmals seit Inkrafttreten 1952 sollen dann in der Präambel Lehren aus den Verbrechen der NS-Zeit niedergeschrieben sein – so soll etwa ein Bekenntnis zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus den bisherigen Wortlaut ergänzen.

Doch müsste nicht auch der Kampf gegen Antiziganismus Verfassungsrang bekommen, wo doch der systematische Mord an Sinti:z­ze und Ro­m:n­ja in der NS-Zeit so betrieben wurde wie an Jüd:innen? Das beklagen nun mehrere Verbände und fordern noch eine Änderung.

„Als Sinti und Roma sind wir noch immer Vorurteilen, Ablehnung und Diskriminierung ausgesetzt. Echte gesellschaftliche Teilhabe erfordert die Anerkennung des historischen Leids“, sagt Rudko Kawczynski von der Rom und Cinti Union. „Dem muss eine geänderte Hamburger Verfassung Rechnung tragen“, fordert er.

Zusammen mit dem Landesverein der Sinti in Hamburg, dem Auschwitz-Komitee und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten haben sie die Abgeordneten der Bürgerschaft in einem Brief auf ihre Forderung hingewiesen.

NS-Zeit blieb in Verfassung unerwähnt

Seit mehr als zwei Jahren sitzen SPD, Grüne und CDU gemeinsam an der Überarbeitung der Verfassungspräambel. Diese ist bislang nur wenige Sätze lang und betont zuvorderst, dass Hamburg als Hafenstadt eine „ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen“ habe. Auch Frieden und Demokratie werden in der Präambel als lose Ziele genannt.

Anders als in den meisten deutschen Landesverfassungen wird die NS-Zeit unerwähnt gelassen. Nach dem Willen der drei Fraktionen soll nun festgehalten werden, dass sich die Stadt „gegen Rassismus und Antisemitismus sowie jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ einsetzt.

Weiter soll es heißen: „Sie stellt sich der Erneuerung und Verbreitung totalitärer Ideologien sowie der Verherrlichung und Verklärung des Nationalsozialismus entgegen.“

Die Verbände fordern nun, dass im ersten Satz nach dem Antisemitismus auch der Antiziganismus genannt wird. Das Ende der NS-Zeit habe für Sinti:z­ze und Ro­m:n­ja keine echte Befreiung bedeutet, beklagt Arnold Weiß vom Landesverein der Sinti. Ihr Leid sei in der Gesellschaft nicht anerkannt worden, die Ausgrenzung habe sich nach 1945 fortgesetzt. „Die Abgeordneten tragen eine Verantwortung, diesen Fehler zu korrigieren“, sagt er.

Alle betroffenen Gruppen seien einbezogen

Lena Zagst, in der grünen Bürgerschaftsfraktion für Verfassungs- und Justizpolitik zuständig, hält den jetzigen Vorschlag dennoch für richtig: Durch den Terminus der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ sei der Kampf gegen Diskriminierung aller betroffenen Gruppen benannt. „In der heutigen Zeit gibt es eine Vielzahl an gesellschaftlichen Gruppen, die Diskriminierung und Ausgrenzung bis hin zur Verfolgung ausgesetzt sind“, sagt Zagst. „Uns ist es wichtig, ihre Erfahrungen und Perspektiven abzubilden und zu adressieren, ohne einzelne Gruppen auszugrenzen.“

Zugleich betont Zagst, man wolle den Dialog auch mit Sin­ti:z­ze und Rom:n­ja suchen und ihre Erfahrungen und Perspektiven für mögliche künftige Anpassungen der Präambel berücksichtigen.

Auch die SPD sieht das so und betont, dass eine Bewertung der unterschiedlichen Diskriminierungsformen bewusst vermieden werde. Zudem sei dies im Vorfeld im Rahmen einer Sachverständigenanhörung zu einem historisch richtigen und diskriminierungsfreien Wortlaut ausführlich diskutiert worden, sagt Olaf Steinbiß, verfassungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Im Zuge dieser Sachverständigenanhörung hatte es bereits eine Änderung an der anvisierten Präambel-Formulierung gegeben: So wollten die Fraktionen ursprünglich festschreiben, Hamburg habe „extremistischen Bestrebungen gleich welcher Art und Motivation“ entgegenzuwirken. Doch die Verwendung des Extremismus-Begriffs stieß nicht zuletzt auf Kritik, weil er auf die sogenannte „Hufeisentheorie“ hinweist, mit der Links- und Rechtsextremismus gleichsetzt wird.

Dieser Passus steht am Mittwoch, wenn die Bürgerschaft abschließend über die Verfassungsänderung abstimmt, nicht mehr im Antrag.

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