Nein

Man muss wahrlich keine Freundin der CDU sein, um anzuerkennen, dass die Ber­li­ne­r:in­nen die rot-grün-rote Koalition abgewählt, zumindest abgestraft haben. Das linke Dreierbündnis hat zwar nach wie vor eine rechnerische Mehrheit, aber Berlin hat den Wechsel gewählt. Der gemeinhin eher links tickenden Metropole ist die Lust auf eine Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei in den vergangenen Monaten merklich vergangen. Rot-Grün-Rot klingt als Vision deutlich besser, als die Realpolitik dieser Koalition letztlich aussah.

Mieterfreundliche Politik in einer Stadt, in der massenhaft Wohnungen fehlen und die Mieten in den vergangenen Jahren so stark gestiegen sind wie sonst nirgendwo? Nicht vorhanden. Von einer linken Koalition hätte man wenigstens erwarten können, dass sie den Volksentscheid „Deutsche Wohnung & Co enteignen“ zumindest verbal unterstützt. Bürgermeisterin Giffey aber hat der Bür­ge­r:in­nen­in­itia­ti­ve von vornherein eine Absage erteilt. Mehr Fahrradwege für die umwelt- und gesundheitsbewussten Innenstadtbewohner:innen? Die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch hat ihr Versprechen nicht eingelöst. Dafür hat sie die Au­to­fah­re­r:in­nen vor allem in den Außenbezirken mit ihrer Ankündigung vergrault, die Zahl der Parkplätze halbieren zu wollen. Und dann das Theater um die Friedrichstraße! Eine Fußgängerzone mit Sitzgelegenheiten und Grünflächen wäre in der Tat die beste Lösung. Die man aber jenen gut verkaufen muss, bei denen die Idee umstritten ist. Die Kommunikation des Senats dazu war desaströs.

Wenn Franziska Giffey einen Tag nach dem historisch schlechten Abschneiden der SPD von einer „starken Regierung“ unter einer SPD-Führung fabuliert, zeugt das von Realitätsverlust. In der SPD selbst ist man schlauer: Ein „Weiter-so“ kann es nicht geben, kommentieren führende Landespolitiker – und fordern sowohl einen „Neustart“ als auch „nach allen Seiten offen“ zu sein. Der Subtext lautet: Wir führen natürlich Gespräche mit der CDU, und wenn es passt, gehen wir in eine Große Koalition – ohne Giffey.

Das ist zugegebenermaßen ein Dilemma. Ein CDU-SPD-Bündnis assoziiert man vor allem mit Blick auf die Vergangenheit im Bund mit Lähmung und Schwere. Daher erscheint die Präferenz der Ber­li­ne­r:in­nen für eine starke Rolle der CDU nicht wie eine echte Begeisterung für Kai Wegner und Co, sondern folgt der Logik des kleineren Übels: Hauptsache, Wechsel.

Simone Schmollack