Hilfe nach Erdbeben in Türkei und Syrien: Die ersten 72 Stunden entscheiden

Nach dem Erdbeben bietet das Bundesinnenministerium umfangreiche Hilfe an. Hilfsorganisationen sind besorgt über die Lage in Syrien.

Eine Frau vom SAR-Team steht mit ihrem Hund, der ein Halsband mit der Aufschirft hope trägt und dem deutschen Wappen, vor einem Flugzeug

Helfer auf vier Pfoten: Die Diensthundeführer der Hilfsorganisation ISAR sollen bei der Suche nach Erdbeben­opfern helfen Foto: Piroschka van de Wouw/reuters

BERLIN taz | Deutschland entsendet Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) in die Türkei. Das teilte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag mit. Sie sei sehr dankbar, dass die „sehr erfahrene Rettungs- und Bergungseinheit des THW heute Nachmittag bereits im Katastrophengebiet eintreffen wird“, so Faeser.

Das THW ist eine Zivil- und Katastrophenschutzorganisation, die dem Bundesinnenministerium untersteht. In Katastrophenfällen kann das THW weltweit tätig werden und versorgt Katastrophengebiete etwa mit Elektrizität und Trinkwasser. Auch ortet, rettet und birgt es Opfer – so auch in der Türkei. Am Dienstag brach ein Team der sogenannten Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland des THW vom Flughafen Köln/Bonn ins türkische Adana auf.

„Unsere Einsatzkräfte werden dabei helfen, Menschen aus den Trümmern zu bergen und hoffentlich Überlebende zu retten“, erklärte Faeser. Das Team besteht aus 50 Einsatzkräften und führt laut dem Bundesinnenministerium 15 Tonnen Material mit sich – Rettungsausstattung, Ortungsgeräte, Stromerzeuger, Medizin und Verpflegung für zehn Tage.

Auf das THW wartet ein schwieriger Einsatz. Tausende Gebäude in der betroffenen Region sind eingestürzt. Niedrige Temperaturen und Schneefall erschweren die Bergung von Verschütteten zusätzlich. Auch deshalb sind weitere Hilfen notwendig. Laut dem Bundes­innenministerium werden derzeit Notstromaggregate, Zelte und Decken zusammengestellt. Außerdem habe man der Türkei angeboten, dass das THW Camps mit Notunterkünften und Wasseraufbereitungsanlagen zur Verfügung stellen könnte.

Doch nicht nur das THW ist in der Türkei im Einsatz: Bereits am Dienstagmorgen sei ein Team der Hilfsorganisation International Search and Rescue Germany mit rund 40 Einsatzkräften in der türkischen Region Hatay eingetroffen. Auch zwei Rettungssanitäter und fünf Diensthundeführer der Bundespolizei, drei Ärzte sowie 15 Rettungssanitäter sind vor Ort.

1 Million Euro Soforthilfe

Wie in Katastrophenfällen üblich, wurde von der Aktion Deutschland Hilft ein Online-Spendenkonto eingerichtet. Unter dem Dach der Aktion sind verschiedene Bündnis­organisationen aktiv, die bereits 1 Million Euro als Soforthilfe zur Verfügung gestellt haben. Damit werden Organisationen unterstützt, die schon vor dem Erdbeben in der Region aktiv waren. Zum Beispiel das Medikamenten-Hilfsnetzwerk Action Medeor und der Malteser Hilfsdienst.

„Unsere Bündnisorganisationen vor Ort sind seit der ersten Sekunde im Einsatz“, sagt Jan Brockhausen von der Aktion Deutschland Hilft. Es sei absolute Eile geboten, da in den ersten 72 Stunden nach einem Erdbeben die Wahrscheinlichkeit am höchsten sei, Leben zu retten. „Wir sammeln das Geld ein, und die Bündnisorganisationen geben es aus.“ Nicht nur für die Bergung, sondern auch für Medizin, Zelte, Essen und Wasser.

Erschwert wird das Helfen durch die politische Lage vor Ort. Vom Erdbeben betroffen sind auch kurdische Gebiete in der Türkei, die seit Jahren im Konflikt mit Erdoğan stehen, und Regionen im Norden Syriens, die von Rebellen kontrolliert werden und sich im Krieg gegen das Assad-Regime befinden. Die Menschenrechts­organisation Medico International warnt davor, dass türkische Hilfen in kurdischen Gebieten oft nicht ankommen würden und auch in Syrien Hilfe immer wieder als politisches Instrument vom Assad-Regime missbraucht wird.

Markus Bremers von Action Medeor bricht am Mittwoch in die Türkei auf. Wie tief er ins Katastrophengebiet vorstoßen könne, wisse er noch nicht. Das Medikamenten-Hilfsnetzwerk arbeitet seit Jahren mit Partnerorganisationen in Syrien zusammen und will zunächst Medikamente bei Großhändlern vor Ort organisieren und dann auch Medikamente aus Deutschland liefern. „Wir kennen die Region gut und sind gut vernetzt“, sagt Bremers. Aber auch ihm bereitet die Situation in Syrien Sorgen, es sei schwierig, Hilfen ins Land zu bekommen. „Das hat nicht nur mit zerstörten Straßen zu tun, sondern auch mit schärferen Kontrollen“, sagt er.

Das THW kann aktuell nicht in Syrien helfen. Die Sicherheit seiner Einsatzkräfte gehe vor und die könne er in Syrien nicht gewährleisten, sagte THW-Präsident Gerd Friedsam am Montagabend bei „Hart aber fair“. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte auf einer Pressekonferenz am Dienstag an, die Hilfen für die Malteser, die in Syrien tätig sind, um 1 Million Euro aufzustocken. Weitere finanzielle Mittel wolle sie prüfen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.