Für unabhängigen Journalismus – nicht nur bei uns

GENOINTERNATIONAL (4) Die taz verdankt ihren UnterstützerInnen alles – und unterstützt nun vier andere unabhängige Zeitungsprojekte in Uruguay, in der Türkei, in Tschechien und in: Schweden. Die Meinungszeitung „Fria Tidningen“ kämpft gegen die gemütlichen Gewissheiten des Mainstreams

■ Name: Fria Tidningen

■ Erscheinungsort: Stockholm, Schweden

■ Gattung: Wochenzeitung, bald täglich

■ Erscheinungsweise: Zweimal pro Woche

■ Auflage: 6.000 (mit den Lokalausgaben 20.000)

■ Vertriebsformen: Abo, Einzelhandel, online

■ Internetauftritt: www.fria.nu

■ Gründungsjahr: 2001

■ Genossenschaft: seit 2001

■ Herausgeber: Mediakooperativet Fria tidningar

■ Die Aktion „Hand in Hand“: Das Geld, das bis zum 15. September bei der taz Genossenschaft eingeht, werden wir zu gleichen Teilen an die vier vorgestellten Genossenschaften la diaria, BirGün, Fria Tidningen und Kulturní noviny geben.

Der europäische Mainstream hat eine Postadresse, sie lautet: Stockholm. Zumindest gilt dies für die Modeindustrie, denn hier, in den hübsch aufgeputzten Straßen und Gassen der schwedischen Hauptstadt, testen die großen Modediscounter wie H & M ihre Ware auf Kompatibilität mit der Geschmackseuronorm – schafft es ein Pullover in Stockholm, dann schafft er es auch in die Fußgängerzonen von Detmold bis Brügge. Mal ganz abgesehen von Ivar, Billy und der „Standleuchte Holmö“, der notorisch schwierigen Wahl zwischen Volvo und Saab und der ambivalenten Besuchererfahrung, dass sich Schweden stets müht, all seinen Klischees gerecht zu werden – rotes Holzhaus, blau-gelbe Fahne gehisst –, liegt es ganz einfach auf der Hand, dass gerade Schweden eine Zeitung braucht, die wider den Stachel löckt.

Hauptquartier Stockholm

Das Gute ist: Schweden hat eine solche Zeitung. Sie heißt Fria Tidningen und hat ihr Hauptquartier in besagtem Stockholm aufgeschlagen. Seit 2001 ist sie eine unabhängige Alternative zu den konservativen Zeitungen, die den schwedischen Zeitungsmarkt dominieren, aber auch zu jenen Wochenzeitungen, die von linken Parteien und Organisationen publiziert werden, etwa Arbetaren, ETC und Flamman. Die MitarbeiterInnen, es sind 45 Festangestellte und rund 50 freie MitarbeiterInnen, konzentrieren sich auf Themen, die von der Mainstreampresse eher ignoriert werden. „Wir schreiben über Umweltfragen, Gleichheit, Demokratie, Freiheit, Frieden, Tierrechte – und natürlich über die Belange von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen“, sagt Elin Schwartz aus der Nachrichtenredaktion von Fria Tidningen.

Einen ihrer bislang aufsehenerregendsten Erfolge erzielte die Redaktion denn auch aufgrund ihres besonderen Blickwinkels. Im Vorfeld der Wahlen im Jahr 2010 stemmte das vergleichsweise kleine Team eine Mammut-Ausgabe, in der ein Fragenkatalog zu Außenpolitik, Wohlfahrt, Gender und Energiepolitik nicht nur aufgelistet, sondern auch in Gänze beantwortet wurde – von den betreffenden Parteien und Politikern. Die Ausgabe wurde zu einem relevanzbedingten Bestseller und Fria Tidningen endgültig zu einem Begriff in der schwedischen Medienlandschaft.

Bekannt war sie zuvor eher in ohnehin politisch aktiven Kreisen – aus deren Reihen die kleine Zeitung auch ihre KommentatorInnen rekrutiert: respektierte AutorInnen, Intellektuelle, Künstler und Politaktivisten schreiben für kleines oder gar kein Geld in der Zeitung. Sie sind aus idealistischen Gründen dazu bereit, aber eben auch weil sie mittlerweile davon ausgehen können, trotz der geringen „Sendeleistung“ Gehör zu finden. Ähnlich wie im Fall der taz ist die Rezeption der Artikel bei anderen, größeren Medien sehr hoch, immer wieder gelingt es daher, Debatten anzuschieben oder einzelne Führungskräfte aus der Reserve zu locken. Anders als die taz verfügt Fria Tidningen allerdings noch immer über stolze sechs Lokalausgaben, mit denen sie auf eine stattliche Gesamtauflage von 20.000 Exemplaren kommt. Bis zum Ende des Jahres, so das ehrgeizige Ziel, soll das Blatt zudem nicht nur zweimal die Woche erscheinen, sondern fünfmal.

Stolz sind die MacherInnen von Fria Tidningen auch darauf, dass sie ihr eigener Chef sind – unabhängig von Anzeigen und dem Kapital eines Eigners, „Die Menschen sollten mehr Macht haben über ihr Leben, sowohl bei der Arbeit als auch in der Gesellschaft“, findet Martin Holmquist, der als Redakteur im Bereich Ausland arbeitet, „unser Produkt wird im Rahmen eines umfassenden Diskussionsprozesses herausgearbeitet.“

Es fehlt an Kapital

Diese Unabhängigkeit und Freiheit zu schützen ist die größte Herausforderung für die Zeitung. Die Genossenschaft startete im Jahr 2001 mit einem Kapital von nur 5.000 Euro – und hat heute Schulden in Höhe von 400.000 Euro. Im letzten Jahr macht Fria Tidningen zum ersten mal Gewinn, auch die Prognose für das Jahr 2012 ist gut ausgefallen. Das bedeutet allerdings nur, dass sich das Boot über der Wasserlinie halten kann. Es fehlt an Kapital, um mehr eigene, gut recherchierte Geschichten in das Blatt bringen zu können. Es fehlen Mittel, um die Werbetrommel zu rühren.

Die eigentliche Hoffnung liegt daher auf dem Ausbau der Genossenschaft – mehr GenossInnen bedeuten nicht nur mehr Kapital, sondern auch mehr Kraft und Unterstützung. Nach dem Vorbild der taz soll Fria Tidningen längerfristig zusätzliche Angebote entwickeln, Reisen, Studien, Seminare zum Beispiel.

Und einen eigenen Fria Tidningen-Shop. Bis es so weit ist, bleibt es der Fantasie wohlmeinender taz-LeserInnen und taz-shop KundInnen überlassen, was es dort wohl zu kaufen geben wird. Vegane Köttbullar? F&T-Shirts mit Elchen drauf? Regenbogenfahnen für das rote Holzhaus? Egal, Hauptsache der Erlös aus dem Shop gilt der guten Sache, nämlich dem Gedeihen einer Zeitung jenseits des Mainstreams.

Machen Sie mit, überweisen Sie Ihren Unterstützungsbeitrag auf folgendes Konto: GLS Gemeinschaftsbank, BLZ 430 609 67, Konto-Nr. 80 20 47 74 00; Kontoinhaber: taz Verlagsgenossenschaft eG; Stichwort: Genointernational