Einsatz von Streubomben in der Ukraine: Nicht alle sind verboten

Die USA wollen Streubomben an die Ukraine liefern. Weil sie Zivilisten gefährden, ist ihr Einsatz geächtet – außer der von kleineren Bomben.

Munitionsreste in einem Krater

Überreste von Streumunition liegen an einer Räumungsstelle im Südsudan Foto: Sam Mednick/AP/dpa

BERLIN taz | Die USA haben angekündigt, der Ukraine Streubomben zu liefern. Die Munition ist Teil eines neuen US-Militärhilfe-Pakets in Höhe von 800 Millionen US-Dollar (rund 729 Mio Euro). Russland hat in seinem Krieg gegen die Ukraine selbst Streubomben eingesetzt. Aber was genau sind Streubomben? Und warum ist ihr Einsatz umstritten?

Geächtet seit 2010

Als Streubomben werden Geschosse bezeichnet, die am Ziel lauter kleine Sprengsätze freisetzen und weiträumig verteilen, sogenannte Submunition. Viele dieser „bomblets“ liegen zunächst herum und können viel später explodieren, auch wenn das bombardierte Gebiet längst friedlich ist. Weil damit jede Verwendung von Streumunition, auch gegen militärische Ziele, Zivilisten gefährden kann, ist ihr Gebrauch seit 2010 durch die internationale Streubombenkonvention geächtet.

Es handelt sich nicht um ein völkerrechtliches Verbot, sondern um eine Selbstverpflichtung durch derzeit 123 Vertragsstaaten, von denen 110 die Konvention ratifiziert haben. Weder Russland noch die Ukraine gehören dazu, wohl aber Deutschland. Der gezielte Einsatz von Streubomben gegen Zivilisten ist unabhängig von der Konvention ein Kriegsverbrechen.

Nicht alle Typen von Streubomben sind von der Konvention betroffen. Weiter erlaubt sind darin Streubomben mit unter zehn Stück Submunition, mit solcher von über vier Kilogramm Gewicht oder deren Submunition einen Mechanismus zur Selbstdeaktivierung enthält. Dies soll gewährleisten, dass ihre Gefährlichkeit auf die unmittelbare Anwendung im Gefecht beschränkt bleibt.

Erlaubte Streubomben aus Deutschland

Streumunition der unter der Konvention erlaubten Art wird unter anderem von Deutschland hergestellt und in der Ukraine eingesetzt. Die in Haubitzen verwendete deutsche „Suchzündemunition Artillerie 155“ (SMArt 155) enthält jeweils zwei Stück Submunition vom Kaliber 155 Millimeter mit Sensoren zur autonomen Zielerfassung; im Oktober 2022 wurde gemeldet, die Bundeswehr werde die Fabrikation dieses Waffentyps wieder aufnehmen, „infolge einer außergewöhnlich guten Leistung in der Ukraine“. Verboten unter der Konvention wäre die deutsche Streubombe des Typs DM632, die jeweils 63 Stück Submunition enthält. Kürzlich erwog Estland, seine Altbestände dieser Waffe an die Ukraine zu liefern; eine deutsche Genehmigung dafür wäre ein Bruch der Streubombenkonvention.

Russland bombardierte Kindergarten

Laut UN ist die Ukraine das einzige Kriegsgebiet der Welt, in dem aktuell Streubomben der unter der Konvention verbotenen Art zum Einsatz kommen. Anwendungen gegen Zivilisten sind dort nur durch Russland bekannt, das mit Mehrfachraketenwerfern Streubomben mit bis zu 552 Stück Submunition einsetzt. Bereits am zweiten Kriegstag 2022 wurde ein Kindergarten im ukrainischen Ochtyrka mit Streumunition getroffen. Am 8. August starben mindestens 39 Menschen, darunter Kinder, beim russischen Beschuss des Bahnhofes der Stadt Kramatorsk im Donbass durch eine mit einer Streubombe beladenen Rakete.

Laut dem im August 2022 veröffentlichten Jahresbericht „Cluster Bomb Monitor“, der die Einhaltung der Streubombenkonvention protokolliert, wurden in der ersten Hälfte 2022 mindestens 215 Menschen in der Ukraine durch Streumunition getötet und 474 verletzt. Russland habe „fast alle“ dieser Angriffe verübt, deren Anzahl in die Hunderte gehe. Von der Ukraine seien drei Einsätze gegen russische Streitkräfte bekannt.

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