Flucht und Migration über Griechenland: Steigende Zahlen, negativer Trend

Die von der konservativen Regierung beschworene Festung Griechenland wird durchlässiger. Es kommen deutlich weniger Menschen an als 2015.

Ein Soldat hält ein Fernglas vor einem Grenzzaun

Am Grenzzaun am Fluss Evros zwischen Griechenland und der Türkei wurden die Patrouillen verstärkt Foto: Petros Giannakouris/ap

ATHEN taz | Im Gesamtjahr 2022 erreichten laut am Freitag veröffentlichter Zahlen des griechischen Migrationsministeriums 17.122 Neuankömmlinge Hellas und damit die Europäische Union. Das sind 96 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2021.

Die meisten Flüchtlinge und Migranten wurden mit über 2.300 Personen im November 2022 von den griechischen Behörden gezählt, die wenigsten im Januar mit 440. Insgesamt zeigen die Zahlen ab Juni einen steigenden Trend.

Dennoch sind es deutlich weniger als im Jahr 2015, dem historischen Höhepunkt der Flucht- und Migrantionsbewegung über Griechenland. Damals hatte das UNHCR über 860.000 neuankommende Geflüchtete und Migranten in Hellas registriert, fünfzig Mal mehr als im Gesamtjahr 2022.

In Griechenland warteten Ende Dezember insgesamt über 15.000 Asylbewerber auf ihren Bescheid. Das sind – obwohl die Ankunftszahlen an sich im Vergleich zum Vorjahr anstiegen – 52 Prozent weniger als 2021. Ein Grund für diesen Rückgang: Fast 8.700 Personen haben Griechenland im Laufe des Jahres 2022 verlassen.

Pushbacks offenbar effektiv

Die Gründe für den Rückgang der Geflüchteten- und Mi­gran­ten­zah­len finden sich vor allem in der restriktiven Politik der konservativen Regierung unter Premier Kyriakos Mitsotakis. Seit ihrem Amtsantritt am 8. Juli 2019 verfolgt sie das Ziel, die Anzahl neuer Asylbewerber zu senken. Die Grundpfeiler dafür wurden schon zuvor gelegt: die Schließung der Balkanroute Anfang 2016 und der EU-Türkei-Deal zu Geflüchteten im März 2016. Beide versperren Geflüchteten und Mi­gran­ten den weiteren Weg nach Mittel- und Nordeuropa.

Oberste Priorität der Regierung Mitsotakis ist es zudem, die Land- und Seegrenze zur Türkei zu „versiegeln“, nicht zuletzt um Schleppern das Handwerk zu legen. Griechenland solle eine Festung sein, stellte Premier Mitsotakis immer wieder klar.

Das ist mittlerweile wohl erreicht: An der Landgrenze zur Türkei wurden der seit Sommer 2012 bestehende Grenzzaun am Fluss Evros verstärkt und um 27 Kilometer verlängert, die Patrouillen verstärkt und moderne Technik bei der Suche nach Menschen eingesetzt, die die Grenze illegal überschreiten wollen. Stichwort: Hightech-Festung Europa. Auch Schallkanonen kommen zur Abwehr von Neuankömmlingen zum Einsatz: Mit Lärmsalven werden Geflüchtete und Migranten von der Überquerung der Grenze abgehalten.

In der Ostägäis ist das ein ungleich schwierigeres Unterfangen. Hier kommen nach übereinstimmenden Medienberichten auch rechtswidrige Methoden zum Einsatz, die sogenannten Pushbacks. Das sind illegale Rückführungen von Geflüchteten und Migranten aus EU-Gebiet heraus, obwohl diese es bereits erreicht hatten. Ihnen wird so die Chance genommen, einen Asylantrag stellen zu können – ein Verstoß gegen das Völkerrecht und die EU-Grundrechtscharta.

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