Nippons Söhne nehmen es locker

Japan verliert sein Auftaktmatch gegen Mexiko mit 1:2. Tragisch findet die Mannschaft von Trainer Zico dies allerdings nicht, schon weil sie für die WM 2006 bereits qualifiziert ist. Dafür ärgert sich Mexikos Coach La Volpe umso mehr

HANNOVER taz ■ Seit die japanische Fußballdelegation in Deutschland angekommen war, hatte der Trainer Zico kein Wort mit den japanischen Journalisten geredet. Sie können sich trösten. Sie haben nichts verpasst. So geistsprühend und dynamisch der Brasilianer früher auf dem Spielfeld auch gewesen sein mag, so lethargisch und fad gibt er sich als Trainer. Hätte er so Fußball gespielt, wie er heute redet, wäre das zentrale Mittel seines Wirkens der Rückpass zum Torwart gewesen – und der wäre auch noch ungenau ausgefallen. Warum er so schweigsam war in den letzten Tagen, vermochte sich keiner der mitgereisten Reporter erklären, obwohl Japaner doch weltweit als Koryphäen auf dem Gebiet der Etikette und der verletzten Formen gelten. Es zeigt aber, das man Zico offenbar noch leichter auf den Schlips treten kann als einem gehobenen Höfling des Tenno.

Nach dem 1:2 im Confederations Cup gegen Mexiko redete der 52-Jährige immerhin wieder, auch mit Japanern. Sie fragten viel, Zico antwortete relativ knapp, nur der japanische Übersetzer machte daraus Monologe, deren Wortschwall für einen ganzen Murakami-Roman ausgereicht hätten. Warum es häufig drei Spielern seines Teams nicht gelungen wäre, einen Mexikaner vom Ball zu trennen? „Das lag an den Mexikanern.“ Warum das Team nach dem 1:2-Rückstand so wenig Energie zeigte? „Die Mexikaner haben eben dominiert.“ Wieso seine Mannschaft so große Schwierigkeiten bei hohen Bällen hatte? „Wir sind einfach nicht dran gekommen.“ Wie er als brasilianische Fußballlegende das aktuelle brasilianische Team einschätze? „Erst bereiten wir uns auf Griechenland vor, dann auf Brasilien.“ Was er insgesamt zum Spiel sage? „Wir haben keine Niederlage erwartet, aber wir müssen ruhig bleiben.“

So lapidar wie die Antworten des Trainers, so lapidar war auch das Spiel des Teams. Mehr Dienst nach Vorschrift als inspirierte Darbietung, vor allem am Ende, als die Japaner beim Stande von 1:2 weiter Konterfußball spielten und es so aussah, als hätten sie einen Vorsprung zu verteidigen. Dabei fiel vor allem Hidetoshi Nakata auf, der längst nicht mehr unumstritten ist in der Heimat. Der 28-jährige Mittelfeldmann vom AC Florenz hat immer noch begnadete Fähigkeiten, ist aber vorwiegend damit beschäftigt, seine neueste Frisur und seinen Status als größter japanischer Fußballheld aller Zeiten spazieren zu tragen. Wenn er ungenau angespielt wird, bleibt er beleidigt wie ein Zico stehen, mosert gern herum, vollführt abfällige Handbewegungen und vollbringt trotz aller Spielkunst selten eine Aktion, die das Team wirklich weiterbringt. Alibifußball der besten Sorte, doch da sein Rivale Shinji Ono von Feyenoord Rotterdam diesmal nicht im Kader steht, bleibt Trainer Zico kaum etwas anders übrig, als auf das wandelnde Heroendenkmal zu setzen.

So wie die Argentinier haben sich die Japaner letzte Woche bereits für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland qualifiziert, und man konnte sich in Hannover des Eindrucks nicht erwehren, dass sie nach diesem emotionalen Kraftakt die Niederlage gegen Mexiko nicht allzu tragisch nahmen. Dabei hatte es gut begonnen für die Söhne Nippons. Mitten in die mexikanische Anfangsoffensive hinein erzielten sie in der 12. Minute das 1:0, und über ihre Außenspieler Alex und Akira Kaji, der auch das Tor vorbereitet hatte, kamen sie des öfteren in den Rücken der mexikanischen Dreierkette, waren aber, abgesehen von Yanagisawa beim 1:0, zu unentschlossen und zu wenig energisch beim Torschuss.

Mexikos Trainer, der Argentinier Ricardo La Volpe, hat beim Confederations Cup seine eigene Portion Ärger zu verkraften. Das Gezerre um die Nationalspieler von Chivas Guadalajara, das sich für das parallel stattfindende Halbfinale des Südamerika-Pokals qualifiziert hat und vor dem größten Erfolg eines mexikanischen Vereinsteams überhaupt steht, sorgt für Unruhe. In Hannover waren immerhin Ramón Morales und Alberto Medina eingetroffen, saßen aber nach den Reisestrapazen nur auf der Ersatzbank. Die Fifa hat ihnen unverschämterweise mit einer Sperre gedroht, wenn sie zum Halbfinale der Copa Libertadores zurückreisen, anstatt bei Sepp Blatters fragwürdig terminiertem Hätschel-Cup in Deutschland zu verweilen. Der ohnehin ungeliebte La Volpe begrüßt diese Erpressung, was seine Beliebtheit in Mexiko, besonders in der Region Guadalajara, nicht gerade hebt.

Gegen Japan fehlte zudem noch Mexikos wichtigster Spieler, Rafael Marquez vom FC Barcelona, doch dafür holte vor allem der 1,63 Meter winzige Zinha die Kastanien aus dem Feuer. Er spielte nicht nur reihenweise kluge Pässe, sondern erzielte mit einem brachialen Schuss noch vor der Pause den Ausgleich für das insgesamt durchschlagskräftigere und engagiertere Team. Nach der Halbzeit hatte La Volpe endlich die Defensive auf den Flügeln gegen Alex und Kaji verstärkt, worauf er sich anschließend einiges zugute hielt, damit Japan seiner gefährlichsten Mittel beraubt und für mexikanische Dominanz im Mittelfeld gesorgt. Der Lohn war das 2:1 des allzeit präsenten und drangvollen José Fonseca, der sich Kikín nennt, nach seinem verstorbenen Bruder, dessen Bild er auch auf dem Hemd unter seinem Trikot trägt, wie er nach erfolgreichem Kopfballtreffer enthüllen konnte.

Bleibt bei allem nur die Frage, was genau Arsenals Coach Arsene Wenger unter die 24.036 Zuschauer ins Stadion von Hannover getrieben hatte. Unser Tipp: Kikín Fonseca. MATTI LIESKE