Das Ende der Milch: Milch muss nicht instagrammable sein

Milch wird immer unbeliebter. Zum Glück. Die Milchlobby kämpft dagegen mit hippen Kampagnen an – und verkennt die wahren Gründe für Milchmüdigkeit.

Ein mit Milch gefülltes Glas von oben

Ein Glas Mandelmilch Foto: imago

Konnte ich als Kind nicht einschlafen, machte mir meine Mama eine warme Milch mit Honig. Die Milch brachte mich schnell ins gelobte Land der Träume. Als Alleskönner wurde sie stets beworben, Milch macht müde Männer munter, bringt Kinder zum Schlafen und macht eigentlich ungesunde, überzuckerte Süßigkeiten zum gesunden Snack für zwischendurch. Das war einmal.

„Die Milch macht’s nicht mehr“, lese ich letztens in der Zeit. Milch ist nicht mehr hip und das ist gut so. 2011 trank jeder Deutsche im Schnitt noch rund 52 Liter Milch pro Jahr, zehn Jahre später waren es nur noch etwa 46 Liter. Eine gute Nachricht für die Gesundheit und das Klima, aber nicht für die Milch­industrie. Sie versucht sich mit allen Mitteln zu wehren und startete 2021 die „Initiative Milch“. Die Milch müsse wieder zurück in die Herzen der Menschen, erklärt die Geschäftsführerin des Projekts. Ein letztes Aufbäumen, um den einst so wertvollen Trunk zu retten.

Die Initiative Milch will „Frieden zwischen Mensch und Milch“ schaffen. Dabei geht es vor allem um die Mensch-Tier-Beziehung. Denn ein Großteil der Milchkühe steht nicht muhend auf grünen Alpenweiden und freut sich des erfüllten Lebens. Die meisten von ihnen verbringen ihr kurzes Leben in Boxenlaufställen. Mit überzüchteten Rieseneutern, ohne frische Luft und ohne Platz. Das zeigt die Milchwerbung nie.

Die Initiative Milch will gezielt die junge Generation erreichen. Mit Podcasts und Werbeevents im Supercandy-Pop-up-Museum und ästhetischen Fotos vor weißen Glasflaschen soll Milch instagrammable und cool werden. Absurd. Die Milchlobby hat die jungen Menschen nicht verstanden.

Es geht ums Tierleid

Es geht nicht um den coolen Post, um hippes Marketing. Dass immer mehr Menschen pflanzliche Produkte in ihre Ernährung integrieren, liegt nicht an den frechen Sprüchen auf schwedischen Pflanzendrinkverpackungen. Es geht vielmehr um die eigene Gesundheit, Tierleid und die Zukunft unseres Planeten.

Tiere sind leidensfähig. Jedes Weidetier produziert Unmengen von klimaschädlichem Methan. Und wir halten Millionen von ihnen. Um das Pariser Klimaabkommen zu erreichen, muss sich neben der Verkehrsindustrie, dem Energie- und Bausektor eben auch die Lebensmittelindustrie verändern.

Ganz konkret bedeutet das weniger tierische Produkte zu produzieren. Und natürlich auch weniger zu konsumieren. Kluge Lobbyisten einer klimaschädlichen Branche sollten das erkennen, sollten Wege für nachhaltige Veränderung suchen und nicht mit einem Millionenbudget stumpf für ein „Weiter so“ kämpfen.

Natürlich ist der Niedergang der Milch für die Bauern bedauerlich. Sie leiden seit langem unter den Dumpingpreisen. Aber letztlich betreiben sie ein Geschäft, das nicht zukunftsträchtig ist. Die Welt wandelt sich, die Milchlobby sollte sich mit den neuen Begebenheiten abfinden und überlegen, wie sie sich gesundschrumpfen könnte.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Um 90 Prozent müsse in Deutschland die Kuhhaltung reduziert werden, damit sie kein Klimakiller mehr ist, hat Forscher Marco Springmann kürzlich erklärt. Dass solche Zahlen der gesamten Milchwirtschaft, immerhin eine der größten Lebensmittelbranchen in Deutschland, Angst machen, ist verständlich. Die „Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden“, liebe Ini­tiative Milch, heißt nicht, zu zeigen, dass Milch cool ist. Genug mit dem Mehr von allem. Es heißt Lösungen für ein Weniger zu finden.

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Seit April 2023 taz Panter Volontärin. Vorher Biochemie studiert. Schreibt gerne über Wissenschaft, Gesundheit und soziale Ungleichheit. Aktuell im Berlin Ressort.

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