Filmdokumentation „Männer“: Männer sind kein Klischee

Bremerhavener Medien-Studierende loten mit ihrer Dokumentation „Männer“ das Andere eines Geschlechts aus. Auf Festivals läuft der Film erfolgreich.

Ein junger Mann mit muskelbepacktem Oberkörper trainiert in einem Fitnessstudio.

Mit Muskeln lassen sich mitunter zarte und musische Seiten verbergen: Szene aus dem Film „Männer“ Foto: Hochschule Bremerhaven / Studiengang Digitale Mediengestaltung

Ilir arbeitet online als „Männercoach“ und er kann sein Mannsein am besten alleine in der Menschenleere eines stillgelegten Steinbruchs ausleben. Jona arbeitet in einer queeren Theatergruppe und eines seiner Lieblingskleidungstücke ist ein kurzer, schwarzer Rock. Die beiden gehören zu den fünf Protagonisten, die in dem 39 Minuten langen Dokumentarfilm „Männer“ vorgestellt werden. Sie sind zwischen 22 und 28 Jahre alt und gehören so zur gleichen Altersgruppe wie die Filmemacher*innen. Denn „Männer“ wurde von Studierenden des Studiengangs Digitale Medienproduktion der Hochschule Bremerhaven gedreht.

Dessen Leiter ist Holger Rada. Und mit jedem seiner Jahrgänge produziert der Professor einen Dokumentarfilm. „Männer“ ist so gut gelungen, dass er schon zu einigen internationalen Festivals eingeladen wurde. Er beginnt mit einer Straßenumfrage, und die Antworten der Pas­san­t*in­nen auf die Frage „Was ist ein Mann?“ spiegeln die gängigen Vorstellungen wider. Der eine sagt, ein Mann „muss alles für die Familie machen“, die andere meint „ein Mann muss gar nichts!“. Was würden Sie antworten?

Diese nur anderthalb Minuten lange Einführung macht neugierig, weil sie nicht ohne Witz verdeutlicht, wie kompliziert das Thema zwischen toxischen Männlichkeitsklischees und Diversität ist. Danach sehen wir dann kurze Einstellungen, in denen die fünf Protagonisten sich so zeigen, wie sie selber sich gerne darstellen: Da schreit dann Ilir in Siegerhaltung in seinen Steinbruch und Jona tanzt in Posen, die deutlich feminin wirken. Der Film zeigt die Protagonisten in ihren Lebenswelten. Der Physiotherapeut Nikolas massiert einen Patienten, der Fahrradaktivist Martin schraubt in einer Werkstatt herum und erzählt dabei, dass er die ersten Griffe seines Handwerks von seiner Mutter gelernt hat.

Solche Brüche sind es, die den Film interessant machen. So ist der 22-jährige Nick zwar ein Mann mit vielen Muskeln, die er in der Muckibude trainiert. Bei ihm zu Hause hängt auch ein Bild von seinem Idol Arnold Schwarzenegger an der Wand. Aber dann setzt er sich dort an ein Keyboard und spielt eine gefühlvolle Ballade, die er selber nach dem Tod eines Freundes komponiert hat.

„Männer“. Deutschland 2022. 39 Min. Den Trailer gibt es hier.

Den jungen Filmemacher*in­nen gelingt es, mit der Kamera solche Momente einzufangen, in denen die Protagonisten sich gerade in ihren offensichtlich für die Dreharbeiten arrangierten Selbstdarstellungen offenbaren. Dabei wird der Macho genauso ernst genommen wie der Schwule. Das Filmteam bestand aus neun Studierenden. Bei den Dreharbeiten in Berlin, Oldenburg, Bremen und Sindelfingen bei Stuttgart ließ Dozent Rada ihnen freie Hand.

In der Postproduktion griff er dann mehr ein, und man merkt bei der Dramaturgie und der Montage, dass dies die Arbeit eines erfahrenen Filmhandwerkers ist. Denn Rada hat offensichtlich den Ehrgeiz, die Filmprojekte seiner Klassen für audiovisuelle Medien so professionell und kreativ umzusetzen, dass sie auf internationalen Festivals bestehen können. So wurde im Jahr 2016 die Dokumentation „Das Leben, you know“ über den Bremerhavener Stadtteil Lehe auf dem „Los Angeles Urban Filmfestival“ gezeigt.

„Männer“ hatte seine Welturaufführung im Oktober 2022 auf dem „Ukrainian Dream Film Festival“ in Odessa. Für Rada war dies eine besondere Ehre, da er beeindruckt davon sei, wie „die Kulturschaffenden dort einfach ihr Ding durchziehen und so ein bisschen Normalität bewahren“. „Männer“ lief außerdem auf Festivals in Schweden, Rumänien und Israel, im August wird er auf einem großen Dokumentarfilmfestival auf Kreta gezeigt. Die griechischen Untertitel werden gegenwärtig produziert.

Vielleicht werden die Bremerhavener Studierenden dorthin dann auch einmal als Gäste eingeladen. Bislang haben sie ihr Werk nämlich noch nicht auf einer großen Leinwand mit Publikum gesehen, dabei ist auch das eine Erfahrung, die dringend auf den Lehrplan gehört. Eine gute Chance darauf haben sie im Mai: Dann soll der Film in einem Bremerhavener Kino gezeigt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.