Neuwahlen in Bulgarien: Sofia kommt nicht zur Ruhe

Bulgarien stehen die fünften Wahlen innerhalb von zwei Jahren bevor. Das Land steckt in der Dauerkrise, und das Vertrauen der Wäh­le­r*in­nen schmilzt.

Nikolay Gabrovski mit Bulgariens Präsident Rumen Radev

Nikolay Gabrovski (2. v. r.) erhielt Anfang Dezember das Mandat zur Regierungsbildung und scheiterte Foto: Valentina Petrova/ap

Das politische Trauerspiel, das in Bulgarien seit Monaten aufgeführt wird, geht in die Verlängerung. Nachdem erwartungsgemäß auch der dritte und letzte Versuch, ein Kabinett zusammenzuzimmern, wieder einmal gescheitert ist, werden die Bul­ga­r*in­nen im April erneut an die Urnen gebeten. Doch nach Lage der Dinge könnten sich alle Beteiligten die Mühe eigentlich sparen.

Denn die fünfte Wahl (!) innerhalb von zwei Jahren dürfte kaum zu dem erhofften Befreiungsschlag werden, geschweige denn eine tragfähige Regierung hervorbringen. Stattdessen droht eine weitere Fragmentierung des Parlaments mit guten Chancen für nationalistische Parteien, ihren Stimmenanteil zu vergrößern. Damit einher gehen ein wachsender Politikverdruss und Vertrauensverlust der Wäh­le­r*in­nen in die Parteien, die sich als unfähig erweisen, ihrer Verantwortung gegenüber dem Souverän gerecht zu werden.

Bereits bei der letzten Wahl im vergangenen Oktober lag die Beteiligung bei knapp unter 40 Prozent, will heißen: Da ist noch Luft nach unten. Doch die Dauerblockade, in der das EU-Land gefangen ist, hat auch noch andere unerfreuliche Konsequenzen. Die geplante Einführung des Euro 2024 wird unter diesen Vorzeichen vorerst wohl ein frommer Wunsch bleiben. Das selbe gilt für Bulgariens Beitritt zum Schengen-Raum, den beispielsweise Österreich mit einem Veto belegt hat.

Und noch ein weiterer Aspekt könnte Brüssel künftig einiges Kopfzerbrechen bereiten: Im Windschatten der Krise baut Präsident Rumen Radew, der jetzt erneut ein Expertenkabinett einsetzt, seine Macht langsam aber sicher aus. Das ist der Mann, der sich die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben hat. Wie gut das klappt, ist dem jüngsten Bericht des Europarates zu entnehmen, der dem Balkanstaat in diesem Bereich ein vernichtendes Zeugnis ausstellt.

Zudem schielt Radew unverhohlen in Richtung Moskau. Zwar hat er den Angriffskrieg des Kreml gegen die Ukraine verurteilt, sich aber gleichzeitig gegen Russland-Sanktionen sowie Waffenlieferungen an die Ukraine positioniert. Angesichts eines Krieges, dessen Ende derzeit nicht absehbar ist und mehr denn je Geschlossenheit in der EU erfordert, sind das beileibe keine guten Aussichten. Das Jahr 2023 – vor allem für Bulgarien dürfte es kein gutes werden.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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