Neuer Verteidigungsminister Pistorius: SPD schweigt zu gekippter Parität

Mit Verteidigungsminister Boris Pistorius ist die Geschlechterbalance im Bundeskabinett passé. Den SPD-Abgeordneten fällt dazu nicht viel ein.

SPD-Bundestagsfraktion

Die SPD-Fraktion nach der Bundestagswahl im September 2021 Foto: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

BERLIN taz | Wie reagieren, wenn man sein Wahlversprechen bricht, die Bundesregierung mindestens zur Hälfte mit Frauen zu besetzen? Verdruckst. Für diese Option hat sich zumindest die SPD entschieden.

Mit der Ernennung von Boris Pistorius zum Verteidigungsminister und Nachfolger von Christine Lambrecht ist die Parität in der Regierung passé, es steht jetzt zehn (Männer) zu sieben (Frauen). Olaf Scholz, der es einst anders versprochen hatte, hat sich bislang nicht zu diesem Kollateralschaden der Personalie Pistorius geäußert und das Thema nach Teil­neh­me­r:in­nen­an­ga­ben auch in der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag nicht angesprochen.

Als einzige von 206 gewählten SPD-Abgeordneten meldete sich die Berliner Genossin Annika Klose in der Sitzung zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort. „Die Parität im Kabinett muss bei nächster Gelegenheit wieder hergestellt werden“, so Klose gegenüber der taz. Das sei keine Kritik an Pistorius' Person, sondern eine grundsätzliche Forderung. Dafür habe sie auch in der Fraktion deutlichen Applaus erhalten.

Ihre Kritik wäre wohl schärfer ausgefallen, hieße es nicht aus Fraktionskreisen, es sei auch mindestens eine Frau für das Amt der Verteidigungsministerin angefragt worden. Diese habe aber abgesagt.

SPD-Frauen plötzlich kleinlaut

Wer das sei wurde Klose aber nicht mitgeteilt. Es könnte die Wehrbeauftragte Eva Högl gewesen sein, die als eine mögliche Favoritin für die Lambrecht-Nachfolge galt. Ihre Sprecherin wollte sich nicht dazu äußern. Auch Högl selbst blieb beim Thema schmallippig. Das Thema Parität zu kommentieren sei nicht ihre Aufgabe als Wehrbeauftragt, sagte sie dem ZDF. Sie freue sich über die Entscheidung für Pistorius, er sei für das Amt geeignet. Das Geschlecht spiele nicht die ausschlaggebende Rolle.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Katja Mast betonte am Mittwoch auf Nachfrage „Parität bleibt ein zentrales Thema für die SPD und wird immer eine Rolle bei Personalfragen spielen.“ Doch wie zentral ist die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen in der Regierung tatsächlich, wenn das Prinzip bei der ersten Gelegenheit über den Haufen geworfen wird? Und kritische Stimmen kaum laut werden?

So wollte sich etwa die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal auf Anfrage des ARD-Morgenmagazins nicht zu dem Thema äußern. Auch die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen Maria Noichl reagierte am Dienstag nicht auf eine Anfrage der taz und erteilte weiteren Medienanfragen auch am Mittwoch eine Absage.

Dabei hatten sich die SPD-Frauen kurz zuvor noch weit aus dem Fenster gelehnt: „Fifty-fifty muss weiter gelten. Dafür steht die SPD“, hatte Noichl noch wenige Stunden vor der Bekanntgabe des neuen Verteidigungsministers gefordert. Später schrieb sie auf Twitter, sie respektiere die Entscheidung für Pistorius. Und fordert ähnlich wie Klose, dass es bei nächster Gelegenheit wieder eine paritätisch besetzte Regierung geben müsse.

Kubicki frohlockt

Doch eine solche Gelegenheit ist in weiter Ferne. Dazu müsste Scholz einen der männlichen SPD Minister – Arbeitsminister Hubertus Heil, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, oder Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt – entlassen. Alles extrem unwahrscheinlich.

Mast verteidigt die Ausweichstrategie der SPD. Parität sei ein wichtiger, aber eben nur ein Aspekt von Gleichstellung betonte Parlamentarische Geschäftsführerin am Mittwoch. Und verweist auf sozialdemokratische Erfolge – von der Einführung des Frauenwahlrechts bis zum Abbau von Alterarmut mittels Grundrente.

Mast und Klose sehen aber auch die Koalitionspartner in der Pflicht Posten paritätisch zu besetzen, konkret die FDP, die drei von vier Mi­nis­te­r:in­nen­pos­ten mit Männern besetzt hat. „Parität ist nicht allein Aufgabe der SPD“, findet Klose.

Doch ob es gelingt, die FDP von diesem Ziel zu überzeugen ist fraglich. Der stellvertetende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki, hat bereits frohlockt: „Gott sei Dank hat sich die SPD von dem Unsinn verabschiedet, Positionen zwingend nach Geschlecht oder regionalem Proporz als nach Kompetenz zu besetzen.“

Kritik kommt hingegen von den Grünen, von der Linkspartei und ausgerechnet von CSU-Chef Markus Söder. Der lobte am Rande der CSU-Klausur die Wehrbeauftragte Högl als erfahrene Kennerin der Truppe und meinte: „Klar ist, dass Thema Parität ist für die Ampel abgehakt.“ Für Söder ist das Thema schon länger abgehakt, in seiner Regierung steht es mittlerweile vier (Ministerinnen) zu zehn (Minister).

Die SPD-Fraktion hatte am Dienstag denn auch noch Kontroverseres zu besprechen. Die Wahlrechtsreform. Ein Gesetzentwurf der Ampel sieht zunächst die Verkleinerung des Bundestags vor. In einem zweiten Schritt könnte dann auch über die paritätische Besetzung von Listen debattiert werden. Mast sprach sich für quotierte Wahllisten aus. „Wir sollten langfristig auch überlegen, wie wir Parität bei Direktmandaten erreichen.“ Doch ein solcher Vorschlag würde wohl auf erbitterten Widerstand von CDU und CSU stoßen.

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