Strom in Baden-Württemberg: Private sollen ans Netz

Baden-Württemberg will das Stromnetz zum Teil an private Investoren geben. Und das, obwohl wirtschaftliche und politische Gründe dagegen sprechen.

Eine Hochspannungsleitung

Wem gehören die Hochspannungsleitungen? Angesichts der Debatte um kritische Infrastruktur eine wichtige Frage Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

KARLSRUHE UND WENDLINGEN taz | Die Schaltzentrale von transnetbw am Stadtrand der Kleinstadt Wendlingen sieht ein bisschen aus wie das Krisenzentrum in einem Endzeit-Thriller. Auf einem hauswandgroßen Bildschirm blinken die Stromleitungen auf einer Europakarte in unterschiedlichen Farben. Von hier verwaltet das Unternehmen auch die eigenen Stromautobahnen, die entscheidend sind, um den Offshore-Strom nach Süden zu transportieren.

Seit dem umstrittenen Rückkauf des Energieversorgers EnBW im Jahr 2010 durch das Land gehören auch das Tochterunternehmen transnetbw und ihr über 3.000 Kilometer langes Hochspannungsnetz dem Staat. Das soll sich nach dem Willen der EnBW, aber auch der baden-württembergischen Landesregierung nun zumindest teilweise ändern. Die EnBW wird zwei Anteile an transnetbw zu je 24,95 Prozent verkaufen. Seit vergangenem Jahr läuft ein Bieterverfahren. Nach Presseberichten haben schon Investoren wie die Allianz oder der Finanzinvestor Blackrock Interesse bekundet. Ziel ist es, frisches Kapital von über einer Milliarde ins Unternehmen zu bringen. Geld, das für den Netzausbau und die noch immer defizitäre EnBW dringend notwendig sei.

Attraktiv für Privatinvestoren

Die Investition ist für Private attraktiv, weil die Netzentgelte, an denen sie beteiligt sind, garantiert sind. So attraktiv, dass Finanzexperten sich fragen, warum der Staat die risikolose Rendite nicht selbst einstreichen will. Das Land könnte die Anteile direkt übernehmen. Investitionen ins Stromnetz würden nicht unter die Schuldenbremse fallen. Nach einem Gutachten des Lehrstuhls für Infrastruktur der Bauhaus-Universität Weimar würden die langfristigen Einnahmen die Investitionen eindeutig übersteigen.

Dazu kommt ein politisches Argument: „Gerade in Krisen- und Kriegszeiten ist es keine gute Idee, kritische Infrastruktur nicht mehr komplett in staatlicher Hand zu haben“, sagt etwa die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Claudia Kemfert. Und die Grünen formulieren in ihrem Bundestagswahlprogramm selbst das Ziel: Übertragungsnetze seien „natürliche Monopole“, „wir wollen den öffentlichen Einfluss darauf stärken“. Die staatlichen Anteile an den vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland sollten insgesamt erhöht und in eine Bundesnetzgesellschaft überführt werden.

In Finanzministerium von Baden-Württemberg, das der Grüne Danyal Bayaz führt, sieht man das nicht ganz so eng. Ein Sprecher weist darauf hin, dass die transnetbw auch mit der privaten Beteiligung der einzige der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland bleibt, bei dem ein Bundesland die Mehrheit hält. Von einem Investor erwarte man zudem neben dem Kaufpreis auch weitere Investitionen in den Netzausbau. Ein Investor also, der Geld gibt, aber weiter keinen Einfluss hat.

Interessenten im Bieterverfahren ausgewählt

Tatsächlich ist der Fall transnetbw wohl nicht vergleichbar mit dem Verkauf eines Terminals im Hamburger Hafen an ein chinesisches Staatsunternehmen im vergangenen Jahr. Fragwürdige Investoren aus China und anderen Diktaturen seien von vornherein ausgeschlossen, erklärt das Finanzministerium in Stuttgart. Ob es aber so ein vergleichsweise pflegeleichter Partner wie die Sparkassen des Südwestens werden, wie sich das der Koalitionspartner CDU wünscht, könne man natürlich auch nicht versprechen. Denn ein Bieterverfahren müsse nun einmal nach fairen Kriterien ablaufen. Immerhin kann die Bundesregierung dabei eine Chance wahrnehmen, um den Staat bei transnetbw stärker im Spiel zu halten. Die bundeseigene KfW-Bank hat ein Vorkaufsrecht für einen der 24,95-Prozent-Anteile, und in Stuttgart rechnet man stark damit, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diese Option nutzt.

Die Diskussion über den Teilverkauf der kritischen Infrastruktur hatte kurz vor Weihnachten begonnen, als das Bieterverfahren schon fast abgeschlossen war. CDU-Fraktionschef Manuel Hagel hatte ausgerechnet BlackRock als Investor ausgeschlossen. Jenes US-Unternehmen, bei dem sein eigener Parteivorsitzender jahrelang in maßgeblicher Position gearbeitet hatte.

Kritik an der Teilprivatisierung kommt aber auch aus der grünen Partei. Bei der Abstimmung einer Resolution gegen die Teilprivatisierung, den die SPD im Landtag eingebracht hatte, hatten drei grüne Landtagsabgeordnete mit der Opposition gestimmt.

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