Ausbildungsumlage in Bremen: Wer nicht ausbildet, soll zahlen

Die rot-grün-rote Koalition will mithilfe eines Fonds mehr junge Menschen ausbilden. Unternehmen und Opposition sind gegen die geplanten Umlage.

Zwei Menschen in Arbeitskleidung werkeln von unten an einem Auto auf einer Hebebühne

Gehört zu den begehrtesten Ausbildungsberufen: KFZ-Mechatroniker*in Foto: Patrick Pleul/dpa

BREMEN taz | Weniger unbesetzte Lehrstellen, mehr Fachkräfte: Die Hoffnungen in den Bremer „Landesausbildungsunterstützungsfonds“ sind groß, zumindest auf Seiten der rot-grün-roten Regierung. Ausbildende Betriebe im Land Bremen sollen demnach bald für je­de*n Azubi bezuschusst werden – finanziert durch eine Abgabe der Unternehmen. Eine entsprechende Gesetzesvorlage – nach eigenen Angaben bundesweit einmalig – hat der Senat am Dienstag beschlossen. Das Gesetz soll im April von der Bürgerschaft beschlossen werden und ab dem Ausbildungsjahr 2024/25 gelten.

Das Problem, das der Senat versucht zu bekämpfen, ist riesig: Es gibt viele Menschen ohne Berufsqualifikation, daneben fehlen jede Menge Fachkräfte, die nicht zuletzt für Sanierungen im Rahmen des Klimaschutzes dringend gebraucht werden. Über unbesetzte Ausbildungsstellen beklagen sich auch die Unternehmen selbst. In der Erklärung des Senats heißt es: „Insbesondere leistungsschwächeren jungen Menschen ist der Zugang zu betrieblicher Ausbildung zunehmend erschwert.“

Doch was heißt „leistungsschwach“? – Fehlende Grundkenntnisse, zum Beispiel in Mathematik, aber auch fehlende Sprachkenntnisse, sagt Kai Stührenberg, Staatsrat bei der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. Das bedeute: Für Unternehmen werde die Ausbildung aufwendiger – auch in dem Bereich, „den man früher vielleicht als allgemeine Erziehung wahrgenommen hat“, sagt Stührenberg.

Größere Firmen hätten für die Betreuung der Azubis eigenes Personal – kleinere könnten genau das jedoch nicht bezahlen. Dabei müsse man auch „Jugendliche in den Blick nehmen, bei denen die Herausforderungen größer sind, um dem Fachkräftemangel zu begegnen“. Hier setze der Fonds an.

Unternehmen dürfen Höhe der Umlage mitbestimmen

Pro Ausbildungsvertrag und Jahr sollen Unternehmen künftig 1.500 bis 2.500 Euro erhalten, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Das Geld könne in pädagogische Betreuung fließen, Kommunikation oder Marketing. Betriebe müssten sich anpassen, sagt Stührenberg. Es gebe zwar „viele tolle Unternehmen, die viel investieren“. Aber beispielsweise sei nicht jeder kleine Betrieb aufgestellt, mit jungen Frauen in der Ausbildung umzugehen.

Um den Zuschuss zu finanzieren, müssen alle Unternehmen eine Abgabe zahlen, die das Gesetz auf 0,3 Prozent der Bruttolohnsumme deckelt. Wie viel genau, sagt Stührenberg, werde dann gemeinsam mit den Kammern und dem Deutschen Gewerkschaftsbund Bremen ausgehandelt.

Von der Abgabe befreit werden können Unternehmen, die bereits in einen Branchenfonds einzahlen – etwa in der Pflege oder im Bau. Auch Ein-Mensch-Betriebe, die schlicht nicht ausbilden können, seien ausgenommen, sagt Stührenberg. Wer ausbilden will, aber niemanden findet, müsse dagegen trotzdem zahlen. Solche Betriebe könnten aber von anderen Maßnahmen profitieren, die das Gesetz vorsieht: Der Senat will Kurse für Unternehmen finanzieren: zu fachlichen Themen, aber auch dem Umgang mit Kund*innen, Beratung, Betreuung oder zur Prüfungsvorbereitung.

Nicht nur die oppositionellen Parteien CDU und FDP lehnen das Gesetz ab, auch die Firmen sind dagegen. In einer gemeinsame Erklärung beschweren sich Handwerks- und Handelskammer sowie Unternehmensverbände, dass die Umlage die Unternehmen, die „dringend nach Auszubildenden suchen, zusätzlich zu der häufig ergebnislosen Suche finanziell und administrativ weiter belastet“.

Handelskammer will Entwurf juristisch prüfen lassen

Laut Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht basiere der Fonds auf einer „völligen Fehleinschätzung“ der aktuellen Lage auf dem Ausbildungsmarkt. Unternehmen benötigten kein Geld, sondern „ausbildungsreife junge Menschen, die alle Grundlagen im Lesen, Schreiben und Rechnen in ihrer Schulausbildung gelernt haben“. Auch juristisch halte er den Plan für fragwürdig. Die Kammer werde den Gesetzesentwurf daher prüfen lassen.

Dass die Unternehmen so massiv protestieren, kann Stührenberg nur in Teilen nachvollziehen. Es gebe eine „allgemeine Zurückhaltung“ bei Einmischungen durch den Staat. Zudem sei am Anfang vermittelt worden, dass es um Strafzahlungen gehe. „Vielen war nicht bewusst, dass ein Großteil der Unternehmen Geld bekommt“, sagt der Staatsrat.

Rational betrachtet hätten kleine und mittlere Betriebe keinen Grund für Gegenwehr: „Sie zahlen ein und bekommen einen größeren Betrag zurück“, erklärt Stührenberg. Bei großen Unternehmen sei das anders, aber hier habe die Politik eben entschieden, dass diese einen solidarischen Beitrag für die Gesamtgesellschaft leisten sollten.

Das Gesetz werde auf die Schnelle keine neuen ausbildungsfreudigen Jugendlichen herbeizaubern können. Aber abzuwarten, bis alle verwandten gesellschaftlichen Probleme von Bildung bis Integration gelöst sind, könne man nicht, sagt Stührenberg. Die Unternehmen müssten ihren Aufwand jetzt erhöhen, und die Regierung wolle dabei unterstützen.

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