Gedenkstätte Colonia Dignidad: Symbolische Entschlossenheit

Eine echte Aufarbeitung der Colonia-Dignidad-Verbrechen hieße, die Täter in Deutschland endlich entschlossen zu verfolgen, etwa wegen Beihilfe zum Mord.

Ein Stein mit der Aufschrift "Villa Baviera"

2007 wurde die Colonia Dignidad in „Villa Baviera“ umbenannt – und zur Touristenattraktion Foto: Mario Ruiz/epa

Während seines Besuchs in Chile sagte Bundeskanzler Scholz seinem Amtskollegen Boric die Unterstützung und Beteiligung Deutschlands an einer Gedenkstätte für die Menschen zu, die der deutsche Laienprediger Paul Schäfer und seine Anhänger in der Colonia Dignidad folterten, ermordeten oder missbrauchten.

Die Gedenkstätte ist überfällig und markiert den vorläufigen Höhepunkt eines neuen, verantwortungsbewussteren deutschen Umgangs mit diesem beschämenden Kapitel: 2016, also 19 Jahre nach dem Ende der Colonia Dignidad, entschuldigte sich mit Steinmeier erstmals ein Bundespräsident bei den Opfern, 2017 forderte der Bundestag die Regierung zu weiteren Maßnahmen der Aufarbeitung und Wiedergutmachung auf.

Doch abgesehen von einigen 10.000 Euro Entschädigung für diejenigen, die Opfer von Zwangsarbeit, sexueller Gewalt oder Verschleppung wurden, ist bislang wenig passiert: Die Menschen, die während der Pinochet-Diktatur in der als Folterstätte des Regimes fungierenden Kolonie zu Tode gequält wurden, hat Deutschland bisher nicht entschädigt, das sei Sache Chiles.

Und auch bei der Strafverfolgung hält sich der deutsche Staat heraus – man könnte sogar sagen, er torpediert die Arbeit der chilenischen Strafverfolgungsbehörden: Schlüsselfiguren wie der Sektenarzt Hartmut Hopp und der Schäfer-Intimus Reinhard Döring, beide in Chile verurteilt, leben noch immer unbehelligt in Deutschland – die hiesige Justiz stellte die Verfahren ein, trotz umfangreicher Indizien und Zeugenaussagen. Viele der Verbrechen sind nach wie vor ungeahndet – dafür bezuschusste die Bundesregierung das jährliche Bierfest des Colonia-Nachfolgers „Villa Bavaria“ noch bis 2013.

Eine echte Unterstützung und Beteiligung Deutschlands bei der Aufarbeitung der Verbrechen hieße: endlich eine entschlossene Verfolgung der Täter und ihrer Komplizen zu betreiben, etwa wegen Beihilfe zum Mord. Und endlich den Betroffenen und ihren Angehörigen mehr Gehör zu schenken. Ohne diese politische und juristische Entschlossenheit wirkt die Gedenkstätte wie ein Feigenblatt.

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Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.

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