Mögliche Koalition aus CDU, SPD und FDP: „Denk ich an Deutschland …“

Kommt es nach der Wahl in Berlin zu einem „Deutschlandbündnis“? Der Weg dahin ist hürdenreich – aber nicht ausgeschlossen.

Franziska Giffey und Kai Wegner

Bitte recht freundlich: Franziska Giffey und Kai Wegner Foto: Frederic Kern/imago

BERLIN taz | Ein Gespenst geht um in der Stadt, das Gespenst einer konservativen Koalition. Keine zwei Wochen vor der Wiederholungswahl mehren sich die Anzeichen dafür, dass nach dem 12. Februar ein Senat aus CDU, SPD und FDP die Stadt regieren könnte. Diese „Deutschland-Koalition“ wäre eine Premiere für Berlin und stünde für einen radikalen Politikwechsel. Die CDU wäre nach sieben Jahren Abstinenz zurück in der Regierung, die FDP gar das erste Mal seit 1989.

Gleich mehrere Faktoren sprechen dafür, dass es dazu kommt. Zunächst die Wahlprognosen: In sämtlichen Umfragen liegt die CDU mit mehreren Prozentpunkten vor Grünen und SPD und dürfte bei einem Erfolg alles daran setzen, auch den Regierenden Bürgermeister zu stellen. Weil es für eine Zweierkoalition nicht reichen wird – und die Differenzen mit den Grünen unüberbrückbar scheinen –, bleibt ihr als Machtoption einzig das Bündnis mit Rot und Gelb. Dafür wäre die Truppe um Parteichef Kai Wegner auch bereit, große Kompromisse einzugehen.

Wackelkandidat ist die SPD. Nur wenn sie bei der Wahl wieder vor den Grünen landet, kann die bisherige Mitte-links-Koalition ohne große Turbulenzen fortgeführt werden, auch gegen den Wahlsieger CDU. In diesem Fall dürfte es fast unmöglich sein, auf einem SPD-Parteitag ein anderes Bündnis durchzusetzen, heißt es aus der Partei. Die SPD-Basis, die noch im vergangenen Juni für die Vergesellschaftung und gegen den Weiterbau der A100 stimmte, wird nicht ohne Not einen Rechtsschwenk vollziehen.

Reicht es für die Sozialdemokraten hingegen nur für Platz drei auch hinter den Grünen, ist ihr Führungsanspruch passé. Der SPD bliebe die Wahl, ob sie unter der Grünen Bettina Jarasch oder unter Kai Wegner in eine Koalition eintritt. Zumindest Franziska Giffey bemühte sich zuletzt redlich, die Option auf ein rechtes Bündnis offen zu halten. Koalitionsaussagen vermeidet sie strikt, an Kritik an ihren bisherigen Partnern spart sie hingegen nicht. „Es gibt in dieser Koalition an zentralen Punkten sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, was der beste Weg für diese Stadt ist“, so ihre jüngste Aussage im Tagesspiegel.

Rot-grün-rote Differenzen

Wohnungspolitik, Enteignungen, Verwaltungsreform sowie Verkehrs- und Klimapolitik – die Liste der Differenzen zwischen den derzeitigen Regierungsparteien SPD, Grüne und Linke ist tatsächlich lang. Viele der Streitpunkte sind derzeit auf Eis gelegt, kämen aber bei neuerlichen Koalitionsverhandlungen wieder auf den Tisch. Dass Giffey sich eine andere Option offenhält, ist da aus machtpolitischen Erwägungen logisch. Und weil sie für diese die FDP braucht, bezeichnete sie deren Wiedereinzug ins Parlament als „elementar“.

Prominentestes Beispiel für eine größere Nähe von Giffey und Co zu FDP und CDU ist die wieder viel diskutierte Umsetzung des Enteignen-Volksentscheids. Giffey und ihr Bausenator Andreas Geisel lehnen entgegen der Parteilinie die Vergesellschaftung ab, Giffey bemühte dafür sogar ihr „Gewissen“. Ob die beiden mit einem weiteren Formelkompromiss Linke und Grüne zufrieden stellen könnten, ohne selbst das Gesicht zu verlieren, steht in den Sternen.

Leichter dürfte es zumindest dem sozialdemokratischen Spitzenpersonal fallen, mit CDU und FDP die Frage und damit den Volksentscheid politisch zu beerdigen. Der Empfehlung der vom Senat eingesetzten Expertenkommission würde dann – mit Verweis auf verbliebene rechtliche Bedenken – eben kein Vergesellschaftungsgesetz folgen. Die gemeinsame Alternative wäre klar: Im Bündnis mit der privaten Wohnungswirtschaft auf möglichst viel Neubau hoffen. Zugleich hat CDU-Chef Wegner mie­te­r*in­nen­freund­li­che Zugeständnisse angeboten.

Konservative Sozialdemokratie

Auch in anderen politischen Themen dürfte man sich mit Konservativen und Liberalen einig werden. Ein radikaler Schwenk in der Verkehrspolitik mit der deutlichen Einschränkung des Autoverkehrs wäre vom Tisch. Nicht ganz konfliktfrei liefe die Frage nach der A100-Verlängerung, die auch die SPD-Spitze inzwischen ablehnt. Ein Formelkompromiss, der auf die Zuständigkeit des Bundes verweist, ließe sich aber finden.

In der Innenpolitik könnten die drei Parteien die Zügel anziehen. In der Verlängerung des Präventivgewahrsams und bei der flächendeckenden Einführung von Tasern und Bodycams ist man sich einig. Finanzpolitisch würde man auf die Einhaltung der Schuldenbremse und eine stärkere Begrenzung von (Sozial-)Ausgaben setzen.

Die große Frage aber bleibt: Würde die SPD diesen politischen Schwenk ihrer Führung mitmachen? Giffey ist zwar Co-Landeschefin, in der Parteibasis wird sie aber eher toleriert als akzeptiert.

Auf dem legendären Parteitag im Juni 2022 verlor sie nicht nur in zentralen inhaltlichen Punkten, sondern erhielt auch bei ihrer Wiederwahl eine Klatsche: miserable 59 Prozent. Seitdem haben sich Giffey und die Basis wieder angenähert, heißt es aus der Partei; man habe viel miteinander gesprochen. Dennoch stünde vor einer schwarz-rot-gelben Koalition mindestens ein, wahrscheinlich zwei kontroverse SPD-Parteitage mit offenem Ausgang.

Eine Liebesheirat wäre eine Deutschland-Koalition nicht, die SPD wäre eher aus staatspolitischer Verantwortung dabei und müsste dafür die aktuell in der Partei verbreitete Abneigung gegen Koalitionen mit der CDU überwinden: Die Jahre unter Kanzlerin Angela Merkel wirken genauso nach wie die Erinnerung an das Bündnis in Berlin mit der inhaltlich und personell ausgetrockneten CDU unter Parteichef Frank Henkel von 2011 bis 2016, als beide Partner den Stillstand lediglich verwalteten statt zu regieren. Zudem bedeutete ein Bündnis mit CDU und FDP, etwa wenn es um Entscheidungen im Bundesrat geht, dass man plötzlich zum Gegner der Bundesregierung würde.

Für ein „Weiter so – egal wie“ der bisherigen Koalition spricht zudem der Zeitfaktor. Monatelange Koalitionsverhandlungen kann sich die Landespolitik eigentlich nicht leisten in der aktuellen Krisensituation. Genau das stünde aber an, bevor SPD, CDU und FDP zusammenarbeiten können. Dreierbündnisse wollen – das zeigt die Erfahrung – gut vorbereitet sein. Berlin wäre dann, gemessen von der heißen Wahlkampfphase ab Januar bis in den Sommer, praktisch regierungslos.

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