90. Jahrestag der Machtübernahme: Hitlers Vorbilder

Dass die Nazis die Macht übernehmen konnten, kam nicht von ungefähr. Es steht in direkter Verbindung zur Tradition des Antisemitismus in Deutschland.

Ein Fackelmarsch

Angehörige der SA marschieren am 30. Januar 1933 durch die Straßen von Berlin Foto: dpa

Der Tag der Machtergreifung Hitlers wird im deutschen Selbstbild häufig als „Deutschlands dunkelste Stunde“ erzählt. Als Moment, in dem die deutsche Demokratie verraten und abgeschafft wurde. Dabei waren es die Deutschen selbst, die sich wohlwissend um die Konsequenzen für Hitler entschieden.

Das Problem beginnt bereits bei der Sprache. „Ergreifung“ klingt nach gewaltsamem Putsch und legt nahe, Hitler habe die Macht gegen den Willen des Volkes ergriffen. Tatsächlich war die Machtergreifung legal und Hitler mit einer Mehrheit demokratisch gewählt. Seine Wäh­le­r:in­nen wussten, mit welchem Programm er antrat. Dass dies die letzten demokratischen Wahlen sein sollten, war niemandem ein Geheimnis. Auch der radikale Antisemitismus seiner Partei legte offen, was Hitlers Plan für Jü­din­nen:­Ju­den war.

Wer sich mit dem Antisemitismus in Deutschland auseinandersetzt, wird es nicht erstaunlich finden, dass so viele Deutsche Hitler wählten. Der Philosoph Karl Jaspers fasste dies 1958 treffend zusammen: „Was Hitler getan, hat Luther geraten […].“ Die Ideologie der Nationalsozialisten hätte nicht ohne den braunen Nährboden entstehen können, den Deutschland zu bieten hatte.

Der christliche Antijudaismus und der moderne Antisemitismus lieferten die perfekte Grundlage. Beide Formen des Judenhasses hatten lange vor Hitler berühmte Ver­te­te­r:in­nen hervorgebracht. Neben Luther auch den Historiker Heinrich von Treitschke, auf den der Satz „die Juden sind unser Unglück“ zurückgeht.

Während Hitler jedoch heute für alles steht, was im deutschen Selbstverständnis als überkommen gilt, werden Luther, von Treitschke und Co. bis heute geehrt. Straßen, Schulen und Universitäten bleiben nach ihnen benannt.

Dass es zur Machtergreifung, die sich an diesem Montag zum 90. Mal jährt, kommen konnte, steht in direkter Verbindung zu jahrhundertelanger Tradition des Antisemitismus in Deutschland. Wer also über das nationalso­zia­listische Regime spricht, muss auch über die Vorbilder der Nazis sprechen.

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kam 1998 in Belarus zur Welt und lebt seit 2005 in Deutschland. Sie ist Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands.

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