Panzer lassen weiter auf sich warten

Der Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock in Charkiw heizt die Debatte rund um Panzerlieferungen weiter an. Polen überrascht mit angeblichen Leopard-Zusagen

Sichtlich betroffen: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba in Charkiw am 10. Januar Foto: photothek/ imago

Aus Berlin Tanja Tricarico
und Juri Larin

Es war ein Kurzbesuch, der Eindruck hinterlassen sollte. Die deutsche Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reist überraschend in die ost­ukrainische Stadt Charkiw und sieht selbst das Ausmaß der Gewalt des russischen Angriffskriegs. Begleitet wird sie von ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba. Die Zerstörung in der Stadt ist nicht zu übersehen. Häuser wurden zerschossen, zerbombt, Kinder, Frauen, Männer leiden seit Monaten unter den Attacken. Was könnte den Krieg stoppen? Kuleba drängt auf die Lieferung von Kampfpanzern für die Ukraine von Deutschland und anderen Nato-Verbündeten. Je länger diese Entscheidung auf sich warten lasse, desto mehr Menschen würden sterben, sagte der Außenminister dazu am Dienstag.

Baerbock sagt weitere Unterstützung zu, darunter auch mehr Waffen. Hoffnung, dass der Leopard-Kampfpanzer bald in die Ukraine rollt, will die grüne Bundesaußenministerin zwar nicht direkt schüren. Doch allein ihre Aussage, dass sie es für notwendig hält, dass zusätzliche Panzer und auch „weitere Luftverteidigung“ geliefert werden, heizt die Debatte um neues schweres Kriegsgerät umgehend an.

Erst vor rund einer Woche hatte die Bundesregierung bekannt gegeben, dass Marder-Schützenpanzer sowie ein Patriot-Flugabwehrsystem an die Ukraine geliefert werden. Nach Baerbock hat am Mittwoch auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg für mehr Waffenlieferungen an die Ukraine plädiert. Insbesondere die jüngsten Kämpfe in der Ostukraine zeigten, wie entscheidend es sei, militärische Unterstützung auszubauen. Aktuelles Beispiel sind die Kämpfe um die Kleinstadt Soledar. Dort liefern sich ukrainische Soldaten einen erbitterten Kampf mit russischen Truppen und der Söldner-Einheit Wagner. Trotz der brenzligen Lage dämpfte Regierungssprecher Steffen Hebestreit Erwartungen, dass die Bundesregierung ihre Haltung zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern in naher Zukunft ändern würde.

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg plädiert für mehr Waffenlieferungen

Am 20. Januar wollen sich die westlichen Alliierten erneut im sogenannten Ramstein-Format treffen. Dabei wird es explizit um weitere militärische Hilfe für die Ukraine gehen. Zudem wies Hebestreit auch darauf hin, dass ihm keine Anfragen von Partnern bekannt seien, die selbst Panzer vom Typ Leopard an die Ukraine derzeit liefern wollten. Deutschland müsste einer solchen Lieferung zustimmen. Deutlich anders sieht das offenbar der polnische Präsidenten Andrzej Duda. Er will als Teil einer „internationalen Koalition“ Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine liefern. „Eine Kompanie Leopard-Panzer wird im Rahmen der Koalitionsbildung übergeben“, sagte Duda bei einem Besuch in der westukrainischen Stadt Lwiw am Mittwoch.

Außenministerin Baerbock hielt sich nur wenige Stunden in der Ukraine auf. Auf ihrem Heimweg am Dienstagabend twitterte sie: Charkiw sei „ein Symbol für den Wahnsinn der russischen Aggression und den ungebrochenen Willen der Ukrainer*innen, frei von Unterdrückung zu leben“. Währenddessen wurden die russischen Angriffe fortgesetzt: Nur wenige Stunden nach Baerbocks Besuch wurde die Stadt erneut bombardiert. Russische MLRS-Raketenwerfer trafen das Lager eines Pyrotechnikgeschäfts. Telegramkanäle und das russische Verteidigungsministerium meldeten umgehend, dass das größte Munitionsdepot in Charkiw angeblich zerstört worden sei. Die Ukraine dementierte die russischen Berichte. Im Netz kursierten nach dem Angriff Videos von explodierenden Feuerwerkskörpern. Dies zeige, dass es sich dabei nicht um Granaten für Haubitzen und Mörser handeln konnte, hieß es.