Solidarität mit Protesten in Iran: Jeder Stuhl für einen Toten

Der Solidarität mit den Protesten in Iran galt ein Abend in der Berliner Akademie der Künste. Exkurse führten nach Afghanistan und zu Irans Kurden.

Das mit den Farben des Irans bemalte Gesicht einer Person

Solidarität mit der Freiheitsbewegung in Iran, hier auf einer Demonstration in Berlin Foto: Jörg Carstensen/dpa

Es war ein fast idyllisches Bild, das am Dienstag in Berlin die Besucher des Abends „Frau, Leben, Freiheit: Akademie der Künste solidarisiert sich mit den Protestierenden im Staatsgebiet Iran“ begrüßte. Auf einem Bildschirm eilten Kinder durch ein staubiges Gassengewirr. In der nächsten Einstellung rannten Erwachsene: Das Video zeigte junge Männer im Ansturm auf das Rollfeld des Kabuler Flughafens während der ersten Tage nach der erneuten Machtübernahme durch die Taliban im August 2021.

Die Männer wollten auf einem US-amerikanischen Militärflugzeug das Land verlassen. Wem es nicht gelang, sich auf dem startenden Flieger zu halten, der stürzte in die Tiefe.

„Graveyard“, „Friedhof“, ist einer von drei Kurzfilmen des afghanischen Regisseurs Buda of Bamiyan, die im Studiofoyer und im Studiosaal der Akademie zu sehen waren. Buda of Bamiyan greift das journalistisch ausgeschlachtete Bild von Afghanistan als dem Friedhof der Imperien auf und an: Im Grab der Imperien liegen Menschen, Opfer internationaler Terrorgruppen und der US-Armee.

Der afghanische Exkurs hat durchaus Sinn: Iran und Afghanistan teilen nicht nur eine rund 950 Kilometer lange Grenze, sondern auch eine Geschichte. Als zu Weihnachten 1979 die Sowjetunion in den afghanischen Bürgerkrieg eingriff, war der Iran nach der Revolution und dem Sturz des Schahs bereits die Islamische Republik Ruhollah Chomeinis. In Afghanistan wurde eine gewaltsame Säkularisierung versucht, in Iran eine Theokratie errichtet, die ihrerseits Terror gebar.

Zerstörte Hoffnungen

An eine der zerstörten Hoffnungen der iranischen Revolution von 1979 erinnerte in der Akademie der Künste die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Sham Jaff, an die Autonomiebestrebungen der iranischen Kurden. Jaff führte durch „Big Village“, eine interaktive Dokumentation über das kurdische Rebellendorf Gewredê, einen Ort, den es nur noch in Erinnerungen und Erzählungen gibt.

Die Filmregisseurin Beri Shalmashi und der Historiker Lyangelo Vasquez haben die Bruchstücke des „Big Village“ zu einem Panorama zusammengeführt, zu dem die Sonnenblumen im Gebirge genauso gehören wie das Gewehr direkt neben der Flurgarderobe mit dem Blick auf das Tal. Zu romantisieren gibt es da wenig.

Eine der Interviewten erzählt, wie am 1. April 1985 die iranischen Truppen mit dem Bombardement des unbotmäßigen Dorfes, zu dem unter anderem eine Radiostation gehörte, begannen. Gewidmet ist die Dokumentation den Opfern einer anderen staatlichen Intervention, des Angriffs der Iranischen Revolutionsgarden auf Erbil und das Hauptquartier der Demokratischen Partei Kurdistans in Iran (DPKI) von 2018.

Die Akademie hat die Saalbestuhlung an diesem Abend namentlich Lehne für Lehne einer Toten, einem Toten der Proteste in Iran gewidmet.

Was ist ein Gedicht angesichts einer Revolution, fragte die Slam-Poetin Tanasgol Sabbagh

Was ist ein Gedicht angesichts einer Revolution, fragte die Slam-Poetin Tanasgol Sabbagh in ihrem Beitrag, den sie als poetische Intervention verstanden wissen wollte. Eine der zahlreichen mehrsprachigen Antworten Sabbaghs lautete: ein Holzschiff mit dem Namen eines Regenbogen­gottes. Eine der Zuhörerinnen trug auf ihrer Jacke einen Slogan: „Careful with each other / dangerous together.“ Dass es dabei bleibt, bleibt zu hoffen. Robert Mießner

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