Debatte um Enteignungen in Berlin: SPD kneift, Jarasch will enteignen

Die Initiative DW enteignen! lädt zur Podiumsdiskussion: Die SPD will dem erfolgreichen Entscheid „Respekt zollen“, die Grünen wollen ihn umsetzen.

Bettina Jarasch macht den Wahl-o-Mat

Die letzte von 38 Fragen beim Wahl-O-Mat ist die Enteignungsfrage: Jarasch antwortet mit Ja Foto: dpa

BERLIN taz | Im Wahlkampf betonen SPD-Politiker*innen oft und gern, dass die Wohnungsfrage die große soziale Frage unserer Zeit ist. Nach der Abstimmung werden dann im Bund wohnungspolitische Forderungen in Ampelkoalitionen über Bord geworfen, in Berlin wird der erfolgreiche Volksentscheid für Vergesellschaftung erst sabotiert und dann ignoriert. So geschehen nach 2021.

Obwohl der Zwischenbericht der Enteignungskommission durchblicken ließ, dass Vergesellschaftung zu einem vernünftigen Preis möglich sein kann, erteilten die Spitzen der Berliner SPD diesem Ziel in diesem Wahlkampf erneut eine Absage. Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey kann es aufgrund ihrer DDR-Vergangenheit nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, Enteignungen durchzusetzen, wie sie sagt. Und SPD-Bausenator Andreas Geisel hält die Enteignungen von Wohnungskonzernen für „wirtschaftlich verrückt“.

Kein Wunder also, dass sich weder Giffey noch Geisel beim Podium der Mietenbewegung blicken ließen, sondern den Staatssekretär für Bauen und Wohnen, Christian Gaebler, vorschickten. Die vermeintliche Höhle des Löwen war dabei die Reformationskirche in Berlin-Moabit, deren Hauptschiff am Mittwochabend randvoll mit Mie­te­r*in­nen war. Auf den Emporen der Kirche waren passenderweise noch aus dem Gottesdienst die Worte „Glaube“ und „Hoffnung“ in großen weißen Buchstaben aufgestellt.

Der eindrücklichste Moment des Abends war sicher die Deutsche-Wohnen-Mieterin Jasmina R. aus Süd-Schöneberg. Sie sei Raubrittern in die Hände gefallen, sagte sie und berichtete von der immer wieder ausfallenden Heizungsanlage in ihrer Siedlung und ihrer Angst, aus der Stadt vertrieben zu werden. In einem eindringlichen Appell forderte sie: „Setzen Sie den Volksentscheid um, das ist ein klarer Wählerauftrag!“

Gaebler, ebenfalls konfrontiert mit der Dissonanz der Giffey-Aussagen und dem SPD-Parteibeschluss, der die Umsetzung der Enteignung vorsieht, falls die Kommission Vergesellschaftung für möglich und machbar hält, hielt sich an die SPD-Sprachregelungen: Wenn es einen rechtssicheren Weg gebe, dann wolle man mal sehen, so Gaebler. Der erfolgreichen Volksinitiative müsse man Respekt zollen.

Darauf entgegnete DW enteignen! noch am selben Abend per Mitteilung: „Sie sagen, dem Volksentscheid müsse Respekt gezollt werden. Wir sagen: Respekt zeigen heißt umsetzen!“ Die Fronten blieben also verhärtet.

Jarasch und Lederer für Enteignung

Immerhin: Die Grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hat angekündigt, an einem Vergesellschaftungsgesetz zu arbeiten, sobald die Kommission zu einem aus Sicht der Mietenbewegung positiven Ergebnis komme. Insbesondere sei ihr dabei die Gerichtsfestigkeit wichtig. Applaus war das Ergebnis.

Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer sprach sich erneut klar für die Umsetzung aus und sagte darüber hinaus, egal wie die Wiederholungswahl ausfalle, jede Regierung habe den Auftrag, den Volksentscheid umzusetzen. Die Antwort von DW enteignen!: „Wir erwarten vom selbsternannten parlamentarischen Arm des Volksentscheids, dass konkrete Konsequenzen gezogen werden, falls sie die Blockadehaltung ihrer Koalitionspartner nicht überwinden kann.“

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