Antidiskriminierungsgesetz: Appell an Ataman

Wer rassistisch oder ableistisch diskriminiert wird, kann in Deutschland klagen. Ein Bündnis sieht Lücken und fordert eine Neuerung des Gesetzes.

Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman Foto: Imago

BERLIN taz | Das Bündnis „AGG Reform – Jetzt!“ fordert eine umfassende Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), das Menschen vor Diskriminierung schützen soll. „Es darf hier nicht um kosmetische Änderungen gehen, es muss eine tiefgreifende Reform geben“, sagte die Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsverbandes, Eva Andrades, auf einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Der Antidiskriminierungsverband ist eine von über 100 Organisationen, die sich hinter der Forderung versammeln. Dazu gehören unter anderem auch der Deutsche Behindertenrat und der Bundesverband Trans*. „Das zeigt sehr eindrucksvoll, dass eine große Einigkeit besteht bezüglich des Reformbedarfs“, sagte Andrades.

Das AGG soll Benachteiligungen etwa wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts oder einer Behinderung verhindern oder beseitigen – so steht es im Gesetz. Seit 2006 ist es in Kraft, die Ampelregierung will es laut Koalitionsvertrag “evaluieren“ und „Schutzlücken schließen“. Passiert ist bis heute wenig.

Deshalb habe man im vergangenen Jahr begonnen, Forderungen einzusammeln, erzählt Andrades. Herausgekommen ist eine 89-seitige Liste, die das AGG Paragraf für Paragraf kommentiert. Zusätzlich dazu wurden elf Forderungen formuliert, die am Mittwoch von Ver­tre­te­r*in­nen des Bündnisses vorgestellt wurden.

„Das ist eine riesige Lücke“

So fordern sie etwa eine Ausweitung des AGG auch auf staatliches Handeln. Bisher greift es nur in den Bereichen Beschäftigung, Güter und Dienstleistungen, erklärt Susanna Steinbach von der Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen. Also beispielsweise, wenn Menschen auf der Arbeit diskriminiert werden.

Wer aber von staatlicher Seite diskriminiert wird, kann sich nicht auf das AGG berufen. “Zehn Prozent aller Diskriminierungsfälle, die bei der Antidiskriminierungsstelle eingehen, passieren in Ämtern und Behörden“, sagt Steinbach. “Das ist eine riesige Lücke.“

Auch an anderen Stellen setzt das AGG enge Grenzen. Burcu Akdoğan-Werner vom Antidiskriminierungsbüro Sachsen erzählt von einer Frau, die Kopftuch trägt, und deshalb in einem Bewerbungsgespräch abgelehnt wurde. Mit Hilfe des AGG hätte sie die Chance gehabt, eine Entschädigung zu verlangen. Aber Betroffene haben nur zwei Monate Zeit, solche Ansprüche geltend zu machen, sonst erlöschen sie. So auch im Fall der Bewerberin.

Eine Diskriminierungserfahrung müsse erstmal als Unrecht erkannt und verarbeitet werden, sagt Akdoğan-Werner. „So sind zwei Monate oft schnell um.“ Das Bündnis will die Frist deshalb auf zwölf Monate ausweiten.

Zu den weiteren Forderungen gehören eine Prozessstandschaft, damit Verbände für Betroffene klagen können, und eine Erweiterung der Diskriminierungskategorien. Bisher deckt das AGG sechs Kategorien ab: Ethnie, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Das Bündnis sieht hier Lücken. So werden etwa viele Menschen wegen ihres Körpergewichts diskriminiert, was vom Gesetz aber ausgeblendet wird.

Reaktionen aus der Politik

Die Forderungen des Bündnisses wurden am Mittwochnachmittag der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, übergeben. Für sie sei die Stellungnahme „ganz wichtig“, weil diese aus der Zivilgesellschaft komme, sagte Ataman. “Das kann nicht unerhört bleiben“.

Das Bundesjustizministerium gibt sich auf taz-Anfrage bedeckt. Ein Sprecher sagte lediglich, dass man zivilgesellschaftliche Forderungen zur Kenntnis nehme, aber nicht bewerten wolle. Die Bundesregierung plane weiterhin „in dieser Legislaturperiode“ einen Entwurf für eine Reform des AGG vorzulegen.

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