Covid-Bericht von Amnesty International: Verlassen im Altenheim

Amnesty International meldet Menschenrechtsverletzungen in Altenheimen in Spanien. Die Coronamaßnahmen 2020 seien nicht menschenwürdig gewesen.

Bewohnerinnen eines Altersheims sprechen mit Mundschutz in sicherem Abstand mit ihren Familienangehörigen

Die BewohnerInnen des Altenheims durften nur mit großem Abstand mit Angehörigen sprechen Foto: Eduardo Sanz/picture alliance

MADRID taz | Amnesty International (AI) geht mit Spanien hart ins Gericht und fordert, dass die Covidtodesfälle in den Altenheimen neu aufgerollt werden. Während des dreimonatigen harten Covidlockdowns 2020 seien, so die spanische Sektion der NGO, Menschenrechte der Altersheimbewohner verletzt worden. 35.000 Senioren verstarben in Heimen an Covid. AI spricht in einem am Mittwoch veröffentlichten Kommuniqué von „völliger Vernachlässigung ihrer Angehörigen“ durch die staatlichen Institutionen und von „weit verbreiteter Straflosigkeit“.

„Amnesty International hat fünf Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die an älteren Bewohnern begangen wurden. Niemand wurde zur Rechenschaft gezogen“, beschwert sich Esteban Beltrán, Direktor von AI in Spanien. So sei das Recht auf Leben, Gesundheit, Nichtdiskriminierung, sowie auf Privat- und Familienleben und auf einen würdevollen Tod „systematisch verletzt worden“.

„Wir durften meine Mutter nicht besuchen, nicht mit ihr telefonieren oder eine Videokonferenz abhalten“, berichtet in einem Video auf der AI-Facebookseite Angela Arreba, deren Mutter am 8. April 2020 in einem Heim in Madrid verstarb. „Ich möchte mir nicht vorstellen, was sie dachte, als wir uns nicht mehr gemeldet haben.“ In vielen Altersheimen gab es keinen ärztlichen Dienst. Und zumindest in der Region Madrid gab die konservative Landesregierung klare Anweisungen, alte Menschen nicht an die überfüllten Krankenhäuser zu überstellen. „Jemand beschloss, Gott zu spielen“, beschwert sich Arreba.

Hunderte von Familien reichten Klage ein, vergebens. Nur in Madrid wurden 86 Prozent zu den Akten gelegt. Aus der zweiten bevölkerungsreichen Region Katalonien liegen keine Zahlen vor. Zwar reichte die Generalstaatsanwaltschaft 2022 Unterlagen zu den anhängigen Fällen ein, doch die regionalen Staatsanwaltschaften ignorierten dies weitgehend. Eine landesweite Studie gibt es nicht. Nur so viel steht fest. Sterben im Altersheim hat auch mit der neoliberalen Gesundheitspolitik zu tun. In privaten Heimen in der Region Madrid lag die durch Covid erhöhte Sterblichkeit bei 21,9 Prozent – in den öffentlichen bei 7,4 Prozent.

Einen spanienweiten parlamentarischen Untersuchungsausschuss gibt es nicht. Diesen fordern die Familien. Im Regionalparlament in Madrid wurde eine „Wahrheitskommision“ von einer rechten Mehrheit abgelehnt. In Katalonien tagt eine Arbeitsgruppe – bisher ohne Ergebnis, darum fordert AI eine außerparlamentarische Prüfung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.