das wird
: „Wir gehen offen in die Prozesse“

Die ethnografischen Filmtage in Bremen zeigen, wie man mit der Kamera teilnehmend beobachtet

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Gruber, früher zeigten ethno­grafische Filme Bilder von möglichst fremden Menschen aus fremdartigen Kulturen. Damit hat Ihre Veranstaltung kaum noch etwas zu tun.

Martin Gruber: Die postkoloniale Geschichte solcher oft sehr stark exotisierender Filme ist sehr problematisch. Inzwischen forschen und filmen wir auf der ganzen Welt, aber auch sehr intensiv bei uns zu Hause.

Was verstehen Sie unter ethnografischem Filmen?

Für uns ist das Filmemachen ein Teil der ethnografischen Forschung. Die Aushandlungsprozesse beim Filmemachen sind den Arbeitsmethoden in der ethnografischen Forschung sehr ähnlich. Es geht dabei um eine teilnehmende Beobachtung mit der Kamera.

Aber entstehen dabei nicht auch Unschärfen? Es verändert sich doch immer etwas dadurch, dass eine Kamera dabei ist.

Aber wir als Forscher verändern ja auch die Situation durch unsere Anwesenheit. Das denken wir immer mit. Wir schreiben dieses reflexive Element in unsere Forschung und dann auch in unsere Filme ein.

Worin liegt der Unterschied zu Dokumentarfilmen?

Foto: privat

Martin Gruber geboren 1968 in München, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnologe und Kulturwissenschaft an der Universität Bremen. Als Filmemacher und Ethnologe forscht er zum Verhältnis zwischen Menschen und Honig­bienen.

Da gibt es Überschneidungen, aber wir fangen mit dem Filmemachen an, bevor wir die Ergebnisse kennen. Wir gehen offen in die Prozesse. Dafür muss man mehr Zeit mitbringen. In der Regel basieren unsere Filme auf ethnografischer Forschung oder sie sind durch ethnologische Theorie informiert.

Wie sieht diese Arbeit konkret aus?

Ein ganz wichtiges Element des ethnografischen Films ist die kooperative Arbeit. Der Stoff wird zusammen mit den Prot­ago­nis­t*in­nen erarbeitet und zum Teil auch gemeinsam umgesetzt.

Sie zeigen den Spielfilm „Dea“, der von einer jungen Indonesierin handelt, die nach Hongkong auswandert. Wie passt der in Ihr Konzept?

Es gibt in der visuellen Anthropologie den Ansatz, Spielfilm und Dokumentarfilm zu vermischen. Das nennt sich „Ethnofiction“. So arbeitet man vor allem in Situationen, die dokumentarisch nur schwer darzustellen sind. Und man geht davon aus, dass Prot­ago­nis­t*in­nen noch andere Aspekte ihrer Realität einbringen können, wenn sie spielerisch an die Sache herangehen. Bei „Dea“ wurde das Drehbuch mit Betroffenen geschrieben.

Ethnografische Filmtage Bremen: heute und morgen in der Uni Bremen, Eintritt frei; 26. 2.,20 Uhr, City 46; Infos und Programm: https://www.uni-bremen.de/kultur/ethnografische-filmtage-bremen

Die ersten beiden Tage Ihrer Veranstaltung finden in Räumen der Bremer Uni statt. Kommen da genug Interessierte hin?

Wir hoffen, dass viele Bre­me­r*in­nen zu uns auf den Campus kommen. Wir sind aber auch eine hybride Veranstaltung. Alle, die nicht zur Uni kommen, können die Filme online sehen und dann an den Diskussionen teilnehmen.

Aber die ethnografischen Filmtage sind trotzdem eine eher akademische Veranstaltung?

Die Filmtage werden zwar von Studierenden im Rahmen eines Seminars kuratiert und organisiert, aber das Tolle an diesen Filmen ist, dass sie ethnologische Themen auch einem allgemeinen Publikum näherbringen können.