Irans Revolutionsgarden: Terroristen in Uniform

Die iranische Elitetruppe ist entscheidend an der Unterdrückung der Proteste beteiligt. Sie gehört auf die EU-Liste der Terrororganisationen.

Parade der iranischen Revolutionsgarde

Eine Parade der iranischen Revolutionsgarden unweit von Teheran, September 2022 Foto: Vahid Salemi/ap

Die Revolutionsgarden fördern Terrorismus im Iran und im Ausland, auch in Europa. Sie nicht auf die EU-Terrorliste zu setzen, käme einer Realitätsverweigerung gleich und wäre gefährlich kurzsichtig. Das Signal, das Europa damit an die Iranerinnen und Iraner sendet, die genau schauen, wie Europa sich verhält, wäre fatal.

Letzte Woche leuchtete der Nachthimmel über Saqqez. Die Menschen aus der Heimatstadt von Mahsa Jina Amini feierten mit Feuerwerk die Abstimmung des EU-Parlaments. Mit überwältigender Mehrheit forderten die Parlamentarier die EU dazu auf, die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation zu listen. Für die Menschen im Iran bedeutet das einen persönlichen Sieg. Ein kleiner Etappensieg, zugegeben.

Denn ob die Revolutionsgarden tatsächlich auf die EU-Terrorliste kommen, bleibt nach wie vor ungewiss. Diese Woche hätten die Außenminister der EU-Staaten theoretisch die Gelegenheit dazu, wenn sie am Montag zusammenkommen. Doch die EU versteckt sich – wider jegliche politische Vernunft – weiter hinter fadenscheinigen Ausreden.

Bei der Unterdrückung der Proteste spielen die Revolutionsgarden eine entscheidende Rolle. Gegründet wurden sie 1979 vom Revolutionsführer Ruhollah Chomeini mit dem erklärten Ziel, das neue System gegen Feinde im Aus- und Inland zu verteidigen. Seitdem gehören die Revolutionsgarden – wie die reguläre Armee und die Polizei – zu den iranischen Streitkräften.

Lizenz zum Töten

Ihren Auftrag, das islamistische Herrschaftssystem zu schützen, erfüllen die Revolutionsgarden, indem sie Aufstände blutig niederschlagen und Oppositionelle mit ihrem mächtigen Geheimdienst verfolgen. Dabei haben die Regimeagenten praktisch die Lizenz zum Töten. Für die über 500 Toten seit Beginn der Proteste, darunter über 70 Kinder, wurde niemand je zur Rechenschaft gezogen.

Ihre blutige Spur setzt sich fort im Ausland, vor allem in den Nachbarstaaten Irak, Syrien und Libanon. Dort verüben sie mit ihrer Eliteeinheit, den Quds-Brigaden, nicht nur selbst Anschläge, sondern trainieren irantreue Milizen wie die libanesisch-schiitische Hisbollah, deren militärischer Flügel längst auf der EU-Terrorliste steht. Auch vor Europa macht der iranische Staatsterrorismus nicht halt.

Im Januar 2018 unternahm die deutsche Polizei Razzien gegen zehn mutmaßliche Agenten der Revolutionsgarden, die israelische und jüdische Einrichtungen, einschließlich eines jüdischen Kindergartens, für mögliche Attentate ausgespäht haben sollen. Im Februar 2021 wurde ein in Österreich akkreditierter iranischer Diplomat dafür verurteilt, einen Bombenanschlag auf Exil-Oppositionelle in Frankreich geplant zu haben.

Und nun stehen die Revolutionsgarden bei deutschen Ermittlern im Verdacht, im vergangenen November Anschläge auf deutsche Synagogen verübt zu haben. Das sind nur einige der jüngsten Beispiele. Was müssen die Revolutionsgarden noch tun, um als Terroristen zu gelten?

Gegner einer Listung der Revolutionsgarden als Terrororganisation argumentieren einerseits mit der Befürchtung, dass damit ein neues Atomabkommen endgültig verhindert werden würde, andererseits mit der wachsenden Macht der Revolutionsgarden innerhalb der Islamischen Republik. Nach einem möglichen Putsch könnten die Revolutionsgarden identisch mit dem Regime sein, sodass Beziehungen zwischen Iran und Europa nicht mehr möglich wären. Beide Argumente sind indes irreführend.

Die wahre Macht im Iran

Das Atomabkommen ist längst tot und wäre aufgrund der Menschenrechtsverletzungen im Iran politisch ohnehin nicht mehr zu rechtfertigen. Ob das Abkommen seinen eigentlichen Zweck, Iran von Atomwaffen fernzuhalten, erfüllen kann, ist ebenfalls fraglich. Richtig ist hingegen die Feststellung, dass die Revolutionsgarden mit ihrem allgegenwärtigen Geheimdienst, ihren steuerbefreiten Unternehmen und den Basidschi, ihrer millionenstarken, massiv indoktrinierten Freiwilligenmiliz, längst die wahre Macht im Iran sind.

Wer die Revolutionsgarden also als Terrororganisation listet, könnte auch das Regime selbst als Terrororganisation listen. Tatsächlich ist die Islamische Republik ein Terrorregime. Zuständig für die Listung der Revolutionsgarden wäre der EU-Ministerrat. Dort legen die Außenminister der Mitgliedstaaten die Außenpolitik der EU fest. Dass dies noch nicht geschehen ist, liege an „rechtlichen Hürden“.

Solange kein europäisches Gerichtsurteil über terroristische Aktivitäten der Revolutionsgarden aus den letzten fünf Jahren vorliegt, sei eine Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation nicht möglich. Bei genauerem Hinsehen erweisen sich die Hürden jedoch als nicht existent.

Auf die Anfrage des außenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, räumte selbst ein Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ein, dass „die Aufnahme von Ermittlungen oder Strafverfolgung wegen einer terroristischen Handlung oder des Versuchs, eine terroristische Handlung zu begehen“, als Voraussetzung für eine Listung als Terrororganisation ausreicht.

Der Vorwand des fehlenden Gerichtsurteils, den EU-Funktionäre und einzelne Regierungen dennoch gebetsmühlenartig wiederholen, deutet eher auf den Mangel an politischem Willen. Er dient der EU dazu, zwischen dem steigenden öffentlichen Druck einerseits und alten Richtungszwängen, wie das Festhalten am Atomabkommen, weiter tatenlos herumzulavieren. Das ist unaufrichtig.

Die Mehrheit der Iranerinnen und Iraner hat sich längst dafür entschieden, dass ihr menschenverachtendes Regime enden muss. Was die Menschen im Iran jetzt brauchen, sind starke Signale der Unterstützung auch aus Europa. Ihnen diese zu verwehren, könnte uns in einer nahen Zukunft, die vom wachsenden Einfluss Chinas und Russlands geprägt ist, einen wichtigen und strategischen Partner kosten.

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ist freier Reporter. Seit 2017 reist er jährlich in den Iran und lernt die Landessprache Persisch. Zuletzt war er im September und Oktober 2022 vor Ort, als die Proteste um Mahsa Amini das Land erschütterten.

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