Cem Özdemirs Tierschutzpläne: Fortschrittliche Bauern profitieren

Es stimmt nicht, dass Agrarminister Cem Özdemir die Tierhaltung abschaffen will. Seine Pläne fördern Landwirte, die ihr Vieh artgerechter halten.

Giffey und Özdemir mit Blumen auf der Grünen Woche

Franziska Giffey und Cem Özdemir beim Eröffnungsrundgang zur Internationalen Grünen Woche 2023 Foto: Thomas Bartilla/imago

Die Kritik des Deutschen Bauernverbands an den Tierschutzplänen von Bundesagrarminister Cem Özdemir ist völlig übertrieben. Er wolle die Tierhaltung in Deutschland abschaffen, klagt die Agrarlobby anlässlich der weltgrößten Landwirtschaftsmesse Grüne Woche, die am Freitag in Berlin begonnen hat. Klar, Özdemir ist ja auch von den Grünen und dann noch Vegetarier, mögen manche Bauern denken, die mehrheitlich CDU/CSU wählen.

Vielleicht sollten sie sich einmal anschauen, was Özdemir wirklich plant: Vor allem hat er dem Bundestag ein Gesetz für ein verpflichtendes Tierhaltungskennzeichen vorgelegt. Es soll VerbraucherInnen helfen, Schweinefleisch aus engen Ställen und ohne Auslauf von Produkten aus Ställen mit Zugang ins Freie und mehr Platz zu unterscheiden. Zudem will Özdemir Landwirte, die ihre Ställe für mehr Tierschutz umbauen, stärker bezuschussen. Sogar für die laufenden Mehrkosten wie etwa höheren Arbeitsaufwand soll der Bund zahlen.

Warum mehr Transparenz und Subven­tio­nen der Tierhaltung insgesamt in Deutschland schaden sollen, bleibt ein Geheimnis des Bauernverbands. In Wirklichkeit werden diese beiden Projekte den Landwirten helfen, die ihre Schweine artgerechter halten. Wer aber immer noch die Tiere in enge Betonbuchten einpfercht und sie ihr ganzes Leben in einem hermetisch abgeriegelten Stall hält, der wird vielleicht bald weniger verkaufen. Es wird also eine Umverteilung in erster Linie innerhalb der deutschen Bauern­schaft geben: weg von den Betrieben mit schlechteren Ställen, hin zu den Höfen mit besseren Haltungsformen.

An diesem begrüßenswerten Szenario ändern auch berechtigte Kritikpunkte nichts: zum Beispiel, dass die Kennzeichnung zunächst nicht für verarbeitete Produkte wie Hackfleisch, die Gastronomie und nur für die letzte Phase im Leben eines Schweins, die Mast, gelten soll. Besser wäre es auch, wenn ebenfalls Ware aus dem Ausland gekennzeichnet werden müsste; das erlaubt das EU-Recht aber nicht. Deshalb wird die Europäische Kommission auch auf Betreiben Özdemirs in Kürze einen Entwurf für eine EU-weite Herkunftskennzeichnung veröffentlichen. Bis sie eingeführt wird, dürfte eine fehlende Haltungskennzeichnung auf Fleisch aus dem Ausland in den Augen von VerbraucherInnen aber eher ein Makel sein. Das wiederum wäre ein Vorteil für die deutschen Landwirte.

Angst vor der Konkurrenz im Ausland

Ein Nachteil gegenüber Importen könnten allenfalls die angekündigten Regeln für die Putenmast werden, wenn sie tatsächlich zu höheren Produktionskosten als im Ausland führen sollten. Aber das ist nur ein kleiner Bereich; Tierhaltungskennzeichnung und Stallumbauprogramm werden langfristig eine viel größere Wirkung entfalten.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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