das wird
: „Alle performen, die ganze Zeit, nonstop“

Dudu Quintanilhas Kunst verstrickt Besucher in Konstellationen

Interview Benno Schirrmeister

taz: Ist der Ausstellungstitel „Prophetic Complaints“ nicht dahingehend paradoxal, dass Beschwerden, anders als Propheten, auf etwas reagieren, das bereits ist?

Anette Hans: Es geht in Dudu Quintanilhas Arbeiten mehr darum, wie Beschwerden gehört werden – und von wem. Also um die Rollen, die im Medium der Beschwerde in Konstellation kommen: Die Person, die sich beschwert, jene, die weghört, und jene, die zuhört: In dieser Konstellation kommen Fragen auf, die prophetisch in die Zukunft weisen – etwa: Welche Formen des Miteinanders kann man finden, wie lebt man zusammen, welche Performance bringe ich da ein?

Ist also jeder Mensch ein Performer?

In einem nicht künstlerischen Sinn ja: Alle performen, die ganze Zeit, nonstop. Und darauf eröffnen Quintanilhas Video-Installationen Perspektiven.

Warum hat er dafür mit dem radikal-inklusiven Bremer Blaumeier-Atelier zusammengearbeitet?

Foto: von den Driesch

Annette Hans

Jahrgang 1982, leitet seit 2021 die Bremer GAK und hat die Ausstellung „Prophetic Complaints“ kuratiert.

Weil es viele Überschneidungen gibt. In vorangegangenen Arbeiten gab es bei Blaumeier viele Projekte, Gruppen und Formen, die ihn interessiert haben: Mitgewirkt haben Leute aus dem Chor, aus Theatergruppen und den Maler- und Maskenwerkstätten. Diese Tätigkeiten waren sein Hauptinteresse.

Die Per­for­me­r*in­nen treten also nicht, wie im dokumentarischen Theater, als Ex­per­t*in­nen ihrer selbst auf?

Nein, gar nicht. Diese Rolle existiert bei Dudu Quintanilha wirklich überhaupt nicht.

Stattdessen wirkt das Entstandene wie die Performance der Beobachtung einer Performance-Performance …

Prophetic Complaints von Dudu Quintanilha, Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK), Teerhof 21, Bremen, bis 26. 3.; Vernissage 20. 1., 19 Uhr

Ja die Arbeit ist meta – ausschließlich meta sogar. Das ist ein charakteristischer Zug seiner Kunst. Das gilt beispielsweise auch für seine Arbeit über die psychiatrische Klinik in Rio de Janeiro: Da sieht man nur Gebäude. Man sieht keine Menschen. Es gibt nur das Sprechen, aber als Sound, ohne dass klar würde, was es aushandelt. Es geht bei ihm um das, was man nicht sehen kann – und wie man durch das Nichtsehen am Ende viel mehr sieht. Das passiert natürlich auch jetzt bei den „Prophetic Complaints“.

… weshalb auch im Rahmen der Ausstellung keine Performance stattfindet?

Es ist ja nichts im Hinblick darauf eingeübt worden, es zur Aufführung zu bringen. Es gibt nicht die Geschichte, die man zeigen könnte. Es gibt einen Film, aber der besteht aus Aufnahmen von einer einzigen fortwährenden Probe.