Erfolgreich aufgeschobene Arbeit: Die Rechtschreib-Hilfe

Etwas besseres als die Steuererklärung gibt es immer: Wie ich es schaffte, auch diesmal wieder eine Kolumne zu schreiben.

Eine Schülerin schreibt an einer Grundschule Wörter in ihr Heft.

Inspiration Grundschule: ein Ort der kreativen Rechtschreibung Foto: dpa | Sebastian Gollnow

Der Nachteil einer regelmäßigen Kolumne ist, dass man alle vier Wochen – oder sogar öfter! – einen Text abgeben muss, ob es einem gerade passt oder nicht. Der Vorteil ist, dass man sich dann auch hinsetzt und wirklich einen Text schreibt. Würde ich sonst nicht tun – ist anstrengend.

Wenn ich nicht weiß, worüber ich schreiben will, trinke ich erst mal einen Kaffee. Wenn das nicht hilft, gehe ich Laufen. Beim Laufen kommen Ideen und Sport ist ja ohnehin eine gute Sache, sollte ich öfter machen. Ich kann mich aber erfahrungsgemäß nur aufraffen, um noch Beschwerlicheres zu vermeiden. Nach dem Joggen muss ich dann noch duschen und es gelingt mir, den Arbeitsbeginn gleich um mehrere Stunden aufzuschieben. Um den Moment noch weiter hinauszuzögern, räume ich dann sogar meist noch ein bisschen in einem Schrank oder einer Kiste im Regal auf.

Das tue ich, damit ich Platz habe für all das, was bei mir im Zimmer herumliegt und dringend einsortiert werden sollte. Denn bevor ich meine Steuererklärung machen kann, muss ich in meinem Arbeitszimmer für mehr Ordnung sorgen. Aber bevor ich richtig aufräume, muss ich erst mal meine Kolumne schreiben. Weil es heute draußen regnet und stürmt, erscheint mir wiederum die Kolumne als das kleinere Übel im Verhältnis zum Joggen und zur Steuer sowieso. Das bedeutet aber auch, dass ich jetzt nach dem zweiten Kaffee langsam mal auf ein gutes Thema kommen sollte.

Ich finde, für eine Kolumne sollte man witzig oder einigermaßen geistreich schreiben. An schlechten Tagen wundere ich mich, wie es überhaupt sein kann, dass ich für eine seriöse Zeitung arbeite – ich kann das doch gar nicht! Ich kann nicht mal Grammatik oder Rechtschreibung! Was würde meine alte Deutschlehrerin von der Haupt- und Realschule ­– deren Mundwinkel so sehr herunterhingen, dass sie selbst in ihren entspannten Momenten komplett vergrätzt aussah – dazu sagen, dass ich heute beruflich schreibe? Sie würde sich im Grab umdrehen.

Schreib-Fundstücke aus der vierten Klasse

Mein nächst älterer Bruder – er ist unter anderem Germanist – litt physische Schmerzen, als er vor dreißig Jahren meine Diplomarbeit korrekturlesen musste. Weil er es trotzdem getan hat, weiß ich, dass er mich liebt. Darum muss ich keine Angst haben, er könne mich verraten.

Um diesen Bruder rankt im Übrigen eine Familienlegende: Sie besagt, er habe in seiner gesamten Grundschulzeit nur einen einzigen Rechtschreibfehler gemacht – und zwar in dem Wort „Sperrmüll“. Wir dachten nämlich, es hieße „Spermel“. Der Aufsatz, in dem er davon schrieb, wie gerne wir mit „Spermel“ spielten, sorgte für Verwirrung.

Meine Schreibfehler waren nicht zählbar und deshalb ist leider keiner überliefert. Damit es meiner Tochter nicht auch so ergeht, bewahre ich einige besonders kreative Schreib-Fundstücke auf. Da gibt es eine Technik-Arbeit aus der vierten Klasse, in der es um Roboter geht. Das Wort taucht darin zehn Mal auf und sie schafft es, acht verschiedene Schreibweisen zu benutzen, aber kein einziges Mal die korrekte. Mir gefielen besonders „Roppottar“ und das schlicht-schöne „Robota“.

Wahrscheinlich sollte ich nicht zugeben, dass ich Freude an der Rechtschreibphantasie meines Kindes habe. Bestimmt bekomme ich dann die Schuld für die Leserechtschreibschwäche zugeschoben.

Jetzt gehe ich aber erst mal doch im Regen Laufen. Aber vorher trinke ich noch einen Kaffee.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1973 in Hamburg. Seit sie Kinder hat schreibt die Bilderbuchillustratorin hauptsächlich Einkaufszettel und Kolumnen. Unter dem Titel „Die schwer mehrfach normale Familie“ erzählt sie in der taz von Ihrem Alltag mit einem behinderten und einem unbehinderten Kind. Im Verlag Freies Geistesleben erschienen von ihr die Kolumnensammlungen „Willis Welt“ und „Wo ein Willi ist, ist auch ein Weg“. Ihr neuestes Buch ist das Kindersachbuch „Wie krank ist das denn?!“, toll auch für alle Erwachsenen, die gern mal von anderen ätzenden Krankheiten lesen möchten, als immer nur Corona. Birte Müller ist engagierte Netzpassivistin, darum erfahren Sie nur wenig mehr über sie auf ihrer veralteten Website: www.illuland.de

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.