Stadtentwicklung in Köln: Die Liste der Possen ist lang

In Köln verzögert sich erneut ein lang ersehntes Museumsprojekt. Einmal mehr zeigt sich, dass in Sachen Stadtentwicklung eine Dauerkrise herrscht.

Eine Stadtkreuzung auf der Trams, Autos und Radfahrer durcheinander fahren

Chaos am Barbarossaplatz: Auch bei der Verkehrswende hinkt Köln hinterher Foto: Christoph Hardt/Geisler-Fotopress/picture alliance

Oft heißt es, eine Gesellschaft bekomme am Ende immer die Politik, die sie verdient. Köln gehört zu jenen Orten, die zeigen, dass das so nicht stimmt. Was auch immer man von der Stadt samt ihrem gleichermaßen typischen wie hinderlichen Hang zur Selbstgefälligkeit halten mag. Diese Stadtpolitik haben die Kölnerinnen und Kölner nicht verdient. Seit Jahrzehnten macht Köln mit Pleiten und Pannen Schlagzeilen.

Zuweilen ist das durchaus unterhaltsam. So wie bei der Umgestaltung des Breslauer Platzes am Hauptbahnhof vor ein paar Jahren, wo der geplante Brunnen – eher ein Trauerspiel als ein Wasserspiel – „vergessen“ worden war und später mit erheblichem Mehraufwand ergänzt werden musste.

Schon Tradition ist das Fiasko am Heinrich-Böll-Platz, der jedes Mal gesperrt werden muss, wenn in der unter ihm gelegenen Philharmonie Veranstaltungen stattfinden, weil Geräusche von der Platzoberfläche in den Konzertsaal dringen. Kein Scherz: Die Kosten für das Wachpersonal, das seit Jahrzehnten Passanten, Skater und Radfahrer vom Platz vertreibt, gehen in die Millionen.

Die Liste derartiger Possen ließe sich beliebig fortsetzen. Doch spätestens seit dem Einsturz des historischen Stadtarchivs im März 2009, der durch ein ebenso unheilvolles wie umstrittenes U-Bahn-Projekt verursacht wurde und zwei Menschen das Leben kostete, mutet das, was in Köln passiert, nicht mehr komisch, sondern tragisch an.

Der Anblick von Brachland

Zuletzt waren es wieder einmal die Pläne für die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums, eines der kulturellen Aushängeschilder Kölns, die für Kopfschütteln sorgten. Als die Stadt das dafür vorgesehene Grundstück neben dem bestehenden Museum und unweit des historischen Rathauses erwarb, gab es die D-Mark noch. Eigentlich hätte die Realisierung des Erweiterungsbaus, dessen Entwurf auf einen 2013 (!) entschiedenen Architektenwettbewerb zurückgeht, schon längst beginnen sollen, doch im August wurde bekannt, dass es dazu auch in diesem Jahr nicht mehr kommen würde.

Die Stadt sprach von bisher unbekannten Hohlräumen im Baugrund, die Kritiker davon, dass sie es schlicht versäumt hat, den Baugrund früher zu untersuchen – Zeit genug hätte sie ja gehabt. Ende November gab die Stadt einen neuen Zeitplan bekannt: Der Baubeginn wird nun für Herbst 2023 erwartet und das Projekt soll Mitte 2028 abgeschlossen sein.

Es bleibt zu hoffen, dass die Vertreter der Fondation Corboud, deren Sammlung in dem Neubau untergebracht werden soll, bis dahin nicht endgültig die Geduld verlieren und der Stadt den Rücken kehren. Der Vertrag über die Dauerleihgabe von 170 Gemälden, hauptsächlich Werke des Impressionismus und Neoimpressionismus, stammt aus dem Jahr 2001.

Jedenfalls bleibt einem hier, an einem der zentralsten und historischsten Orte der Stadt, der Anblick von Brachland vorerst nicht erspart. Was etwas leichter zu ertragen wäre, wenn nicht bereits die Umsetzung der benachbarten „Archäologischen Zone“ die Geduld über Gebühr strapazieren würde.

Gescheiterte Kultur(haupt)stadt

Die Idee für das inzwischen etwas sperrig als LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Viertel bekannte Projekt entstand als Teil der (gescheiterten) Bewerbung Kölns zur Kulturhauptstadt Europas 2010. Das war zu Beginn des Jahrtausends. Der Baubeginn ließ bis 2017 auf sich warten, und seitdem machte das für Köln so wichtige Projekt, das auf einem unterirdischen Parcours Zeugnisse aus über 2.000 Jahren Stadtgeschichte erfahrbar machen soll, vor allem mit Kostensteigerungen und weiteren Verzögerungen Schlagzeilen. Im Oktober wurde bekannt gegeben, dass der Bau frühestens Ende 2026 fertiggestellt wird.

Köln kann keine Kulturbauten mehr, heißt es heute oft, weil bei praktisch jedem großen Kulturprojekt der Wurm drin ist. Allen voran bei der nun bereits zehn Jahre währenden Sanierung des denkmalgeschützten Opern- und Schauspielhauses am Offenbachplatz, deren Baukosten sich über die Jahre verdreifacht haben. Doch wenn es nur das wäre! Vereinzelte Lichtblicke können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es um die Stadtentwicklung Kölns generell nicht gut bestellt ist.

Bei der Verkehrswende hinkt die Stadt hinterher, was sich unter anderem daran zeigt, dass Radwege, die diesen Namen verdienen, immer noch Stückwerk sind und der öffentliche Nahverkehr eine Zumutung ist. Ein weiteres Ärgernis: Vieles von dem, was unter Denkmalschutz steht, wird nicht so behandelt und im Stadtbild nicht so gewürdigt, wie man es angesichts seines kulturellen und historischen Wertes erwarten würde; das gilt für die Spuren der römischen Geschichte ebenso wie für die vielen romanischen Kirchen der Stadt, deren oft vernachlässigtes Umfeld nicht darauf schließen lässt, dass sie zu den wichtigsten Westeuropas gehören.

Und auch die meisten größeren Stadtentwicklungsprojekte, die in den vergangenen Jahren umgesetzt wurden, vermögen nicht zu überzeugen. Vor allem nicht, wenn man sie an Kölns Selbstverständnis misst, in einer Liga mit anderen europäischen Metropolen mitzuspielen.

Ungenutzte Gelegenheiten

Das Vorzeigeviertel Rheinauhafen glänzt allenfalls mit schmucken Fassaden, nicht aber mit urbanem Leben, und man muss lange suchen, bis man auf Projekte größeren Maßstabs stößt, durch die ein wirklich überzeugendes neues Stück Stadt entstanden wäre.

Dass es Köln zukünftig mit Projekten wie der Entwicklung des Deutzer Hafens besser machen will – der ehemalige Industriehafen soll ein „lebendiges, soziales und buntes Quartier“ werden –, ist ein schwacher Trost angesichts dessen, was in den vergangenen Jahren entstanden ist und bis heute größtenteils entsteht. Unmengen aufgegebener Industrie- und Bahnflächen wurden neuen Nutzungen zugeführt. Was für eine Gelegenheit, Köln weiterzuentwickeln, und was für eine Tragödie, dass sie nicht besser genutzt wurde!

Bezahlbar ist das, was entstanden ist, größtenteils auch nicht, auch weil Köln erst spät und dann eher zaghaft auf das Problem steigender Mieten und Immobilienpreise zu reagieren begann. Während 1990 noch etwas mehr als ein Fünftel der Wohnungen öffentlich gefördert waren, sank dieser Anteil auf nur noch 6,7 Prozent im Jahr 2021.

Das liegt auch daran, dass Köln, dem Beispiel Münchens und anderer Städte folgend, Investoren beim Bau von Wohnungen zwar seit einigen Jahren zur Schaffung von mindestens 30 Prozent gefördertem und damit bezahlbarem Wohnraum verpflichtet, ihnen aber gleichzeitig erheblichen Spielraum ließ, sich dieser Verpflichtung zu entziehen.

Leben in der Zweitklassigkeit

Auch „Milieuschutzsatzungen“, mit denen Luxussanierungen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindert werden können, werden erst seit Kurzem und nur punktuell angewandt, was in Köln aktive stadtpolitische Initiativen in ihrer Kritik bestärkt, dass es der Stadt an Entschlossenheit im Kampf für bezahlbaren Wohnraum fehlt.

Oft heißt es, Köln sei eine Stadt, in der zu leben eine Menge Humor erfordert. Erst kürzlich wetterte etwa der Kabarettist Jürgen Becker in einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger über die Zustände in seiner Heimatstadt („Köln war immer schon gut in der Zweitklassigkeit“) und erklärte, die an ihrer Spitze stehenden Verantwortlichen gehörten aus der Stadt gejagt. Ob es damit getan wäre? Dass es um Kölns Verwaltung schlecht bestellt ist, ist kein Geheimnis.

Zuletzt bescheinigte ein Städteranking des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), bei dem Köln auf einem wenig schmeichelhaften 30. Platz landete, der Stadt eine „teilweise dysfunktionale Verwaltung“. Die 2015 erstmals gewählte und 2020 wiedergewählte parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker konnte ihr Versprechen, die Verwaltung auf Vordermann zu bringen, bisher ebenso wenig einlösen, wie das Bündnis aus Grünen, CDU und Volt, das seit 2021 die Geschicke im Rat der Stadt bestimmt, das desaströse Bild, das Köln seit Jahren abgibt, zu korrigieren vermag.

„Et es wie et es“, „Et kütt wie et kütt“, „Wat wells de maache?“

Gleichzeitig lässt sich aber die Frage, wer oder was für die Zustände in Köln verantwortlich ist, sicher nicht mit einem schlichten „die da oben“ beantworten, und auf der Suche nach einer befriedigenderen Antwort kommt man nicht umhin, auch die Kölnerinnen und Kölner selbst in den Blick zu nehmen. Die können einem zwar leidtun, sind aber vielleicht auch nicht ganz unschuldig daran, dass ihre Stadt auf der Stelle tritt.

Proteste, so sie denn stattfinden, vermögen in der Regel nicht in dem Maße zu mobilisieren, wie man es angesichts der Anzahl und des Ausmaßes stadtpolitischer Versäumnisse erwarten könnte (und wie es in anderen Städten der Fall ist), und es ist etwas dran an der Beobachtung, dass man dazu neigt, sich zu arrangieren, getreu dem Motto „Et es wie et es“, „Et kütt wie et kütt“, „Wat wells de maache?“

Der Fatalismus und Zweckoptimismus, der aus diesen rheinländischen Lebensweisheiten spricht, mag helfen, den alltäglichen Wahnsinn in Köln zu ertragen. Sie könnten aber auch mit ein Grund dafür sein, dass sich besagter Wahnsinn als so beständig erweist.

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