Russischer Angriffskrieg: Panzer für die Ukraine

Nun wird aufgerüstet: Deutschland, die USA und Frankreich liefern mehr Kriegsgerät in die Ukraine. Wie das den Krieg verändern könnte.

Ein Panzer Marder 1A3 während der internationalen Militärübung

Ein Panzer Marder 1A3 während der internationalen Militärübung Foto: Armin Weigel/dpa

BERLIN taz | Es war ein Paukenschlag, der Russland denkbar ungelegen kommen dürfte. Erst preschte Emmanuel Macron vor, dann zogen Joe Biden und Olaf Scholz nach: Als Reaktion auf die immer skrupellosere russische Kriegsführung werden Frankreich, die USA und die Bundesrepublik ihre militärische Unterstützung der Ukraine ausweiten, kündigten der französische und der US-amerkanische Präsident sowie der deutsche Bundeskanzler an. Erstmals sollen nun Schützen- und Spähpanzer westlicher Bauart an das angegriffene Land geliefert werden – und das noch im ersten Quartal dieses Jahres.

Aus Deutschland sollen 40 Marder-Schützenpanzer kommen, mit denen ein Bataillon bestückt werden soll. Die Ankündigungen Frankreichs, der USA und Deutschlands – denen sich Großbritannien demnächst anschließen dürfte – stellen einen Strategiewechsel des westlichen Bündnisses dar. Vorausgegangen waren intensive Beratungen seit Mitte Dezember über die Kriegssituation.

Schon bisher war die Ukraine von Nato-Staaten mit Panzern mit diversen Einsatzfähigkeiten ausgestattet worden – von leichten Transport- bis zu schweren Kampfpanzern. So hat beispielsweise die Bundesrepublik bislang 15 Bergepanzer BPz-2 und 30 Gepard-Flakpanzer geliefert, die allesamt aus deutscher Produktion stammen. Die USA schickten ihre Transportpanzer vom Typ M1117. Auch Luftverteidigungssysteme, Artillerie und entsprechende Munition kamen aus westlicher Produktion.

Aber es gab eine Einschränkung: Wenn es um gepanzerte Gefechtsfahrzeuge ging, beschränkten sich die Lieferungen auf Modelle sowjetischer Bauart – auch wenn die mitunter, wie im Fall der aus Polen stammenden T-72-Kampfpanzer, auf westlichen Standard modernisiert sind. Eine Folge davon waren die komplizierten Ringtausch-Vereinbarungen Deutschlands mit Ländern wie Polen, der Slowakei, der Tschechischen Republik oder Griechenland, die aus ihren Beständen alte Sowjetpanzer an die Ukraine liefern und dafür deutsche Marder- oder Leopard-2-Panzer erhalten.

Gefechtsfahrzeuge für die Ukraine

Doch die Möglichkeiten, über diesen Weg die Ukraine militärisch zu unterstützen, gelten inzwischen als weitgehend erschöpft. Nun soll die ukrainische Armee auch Gefechtsfahrzeuge westlicher Bauart erhalten, konkret sind das neben den 40 deutschen Mardern laut US-Medien 50 US-amerikanische Schützenpanzer vom Typ Bradley sowie eine bisher noch nicht bezifferte Anzahl des französischen Spähpanzers AMX-10 RC.

Anders als bei den Sowjetpanzern erfordert das eine zusätzliche Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte an den jeweiligen Systemen. In Bezug auf den Marder geht die Bundesregierung von einem Crashkurs von 8 Wochen aus, was wohl nur für die Grundlagen reichen dürfte. Aus gutem Grund dauert die Marder-Ausbildung in der Bundeswehr insgesamt neun Monate.

Allerdings zeigen die Erfahrungen mit dem Gepard, wo die Schulungszeit für die ukrainischen Soldaten auf 43 Tage reduziert wurde, dass es durchaus möglich ist, in einer solch kurzen Zeit wenigstens einigermaßen einsatzfähig zu sein. Risikolos ist das Unterfangen jedoch nicht, denn im Gegensatz zu einem Flakpanzer werden Schützen- wie auch Spähpanzer unmittelbar an der Front eingesetzt. Das bedeutet, dass es nicht reicht, einzelne Soldaten in die Bedienung einzuweisen, erforderlich sind vielmehr auch Übungen des gemeinsamen Gefechts, was aber kaum möglich sein wird.

Doch die Zeit drängt. Derzeit herrscht aufgrund der Witterungsverhältnisse noch eine statische Situation am Boden. Aber wenn das Wetter wieder besser wird und die Temperaturen steigen, wird auch das Kriegsgeschehen wieder dynamischer werden. Und die Ukraine hat erhebliche Probleme mit der Abnutzung ihres bisherigen Geräts. Der Krieg sei „an einem kritischen Punkt“, zitiert die Washington Post US-Präsident Biden aus einer Sitzung seines Kabinetts. „Wir müssen alles tun, was wir können.“

Schützenpanzer kommen aus Bundeswehrbeständen

Dieser Zeitdruck führt auch dazu, dass die deutschen Marder-­Lieferungen zunächst nicht vorrangig aus ausrangierten Altbeständen kommen sollen, die bislang beim Hersteller Rheinmetall vor sich hin rosteten. Denn deren Aufarbeitung in der anvisierten Stückzahl würde wohl mindestens sieben Monate dauern, also zu lange. Stattdessen sollen nun erst mal Schützenpanzer aus Bundeswehrbeständen geliefert werden, die noch vor dem Sommer in den Einsatz gebracht werden können.

Für die Ukraine bedeutet das eine deutliche Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten. Ihr Vorgehen gegen die russische Armee an den Fronten im Osten und Süden des Landes dürfte sich erleichtern. Entgegen ihren Wünschen wird die Ukraine jedoch weiterhin auf vollwertige Kampfpanzer westlicher Bauart verzichten müssen. Der deutsche Leopard 2 bleibt ihr ebenso vorenthalten wie der französische Leclerc und der US-amerikanische Abrams-Tank M1A2. Es dürfte von der weiteren russischen Kriegsführung abhängen, ob die Nato-Staaten bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben werden.

Neben den Panzerlieferungen nicht weniger bedeutend ist eine weitere Ankündigung: Die Ukraine wird auch noch mit dem Flugabwehrraketensystem Patriot ausgestattet. Nachdem die USA bereits im Dezember die Lieferung einer Patriot-Batterie versprochen hatte, soll aus Deutschland eine weitere kommen. Biden und Scholz begründeten dies in einer gemeinsamen Erklärung mit dem dringenden Bedarf der Ukraine an Luftverteidigungsfähigkeit, angesichts der Raketen- und Drohnenangriffe Russlands auf die kritische Infrastruktur.

Die Patriots sollen schnell in die Ukraine kommen und dort das Iris-T-Flugabwehrsystem sowie die Gepard-Flakpanzer ergänzen, die bereits von Deutschland geliefert wurden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.