Buch mit Kriegsbildern: Im Nebel des Krieges

John Willheim fotografierte im Auftrag der CIA im Bürgerkrieg in Laos. Jetzt bringt er die lange geheimgehaltenen Bilder als Buch heraus.

Zwei Helikopter auf einem Platz in einem Dorf, dahinter Nebelschwaden und Berge

Helikopter in Nebelschwaden, Ausschnitt aus einem Bild aus „War of Whispers“ von John Willheim Foto: John Willheim, Hartmann Books, 2022

Hinter einem sichtbaren Krieg können andere Kriege verborgen sein. Der Bürgerkrieg, der von 1953 bis 1975 Laos überzog, lag im Schatten des stark mediatisierten Vietnamkrieges. Er blieb der westlichen Öffentlichkeit über Jahrzehnte hinweg kaum bekannt.

Das Buch „War of Whispers – Inside the CIA’s Secret War“ macht nun Bilder zugänglich von einem, der tief im Laos-Konflikt embedded war. Der Anthropologe, autodidaktische Fotograf und illustre B-Movie-Filmer John Willheim dokumentierte im Auftrag des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA knapp zwei Jahre dieses „geheimen Krieges“. Bis zu seiner Freigabe und Veröffentlichung im vergangenen Jahr in einem Buch auf Englisch sollen die Aufnahmen nur hohe Offiziere der CIA und wenige Politiker gesehen haben.

„Dies sind die einzigen professionellen Bilder des geheimen Krieges der CIA. Ein Moment in der Zeit, der in der Geschichte verschwinden wird. Ich war der letzte Zeuge. Dies ist mein Vermächtnis“, schreibt Willheim. So dramatisch würde wohl nur der von Willheim geschätzte deutsche Regisseur Werner Herzog einsetzen.

Militärmaschinen im Urwald

Eine filmisch anmutende Sequenz setzt in dem Fotobuch tatsächlich den Anfang. Auf Doppelseiten sind Leuchtspuren zu sehen, Explosionen, später abstrakte Lichtzeichen in der Nacht. Luftaufnahmen über malerischen Hügeln – wären da nicht die Militärmaschinen. Sie landen auf eingeebneten Flächen im Urwald. Ein großer, locker wirkender Mann im verschwitzten Dschungellook: Es ist John ­Willheim, und er trägt ein Gewehr.

Buchcover von "War of Whispers", ein Helicopter über Bergen

John Willheim: „War of Whispers – Inside the CIA’s Secret War“. Hartmann Books, Stuttgart 2022, 276 Seiten, 49 Euro

Der Laotische Bürgerkrieg zwischen der prokommunistischen Bewegung Pathet Lao und den Truppen der Regierung des Königreichs Laos gilt als Stellvertreterkrieg im globalen Kalten Krieg. Der Ho-Chi-Minh-Pfad, auf dem nordvietnamesische Kommunisten Unterstützungslieferungen zum kommunistischen Vietcong in Südvietnam transportierten, lief seit dem Indochinakrieg über laotisches Gebiet.

Die CIA unterstützte und organisierte hiergegen in Laos eine Miliz, vorwiegend rekrutiert aus bäuerlichen Menschen der Volksgruppe der Hmong. Bis 1973 flog die US-Luftwaffe auch Bombenangriffe auf die Versorgungslinie der kommunistischen Gegner. Die Region wurde zu einem der meistbombardierten Gebiete der Welt. Im Krieg gegen die Kommunisten starben laut Buch 20.000 Hmong-Soldaten. Die USA stritten ihre direkte Beteiligung an den Kampfhandlungen ab.

Zwischen Schaudern und Schönheit

„War of Whispers“ ist eine ambivalente Publikation, ein ästhetisches Produkt, das eine äußerst subjektive und am Krieg unmittelbar beteiligte Position wiedergibt. Im Wechsel von Dia-Abzügen sowie körnigen, bewegungsunscharfen Filmstills pendeln Willheims Aufnahmen zwischen Reportage und Rapport, ethnografisch wirkender Beobachtung und der Dokumentation des heftigen Kriegsgeschehens. Wunderschöne Berglandschaften werden von Landepisten durchschnitten; Helikopter stehen geparkt vor Basthütten und Vorgärten mit Nutzpflanzen. Das Dorf steht Schlange, als wäre gerade der Onkel aus Amerika vorge­fahren.

Fotos aus dem Helikopterblick markieren erkennbare Zielkreuze für die informell eingerichteten Landeplätze der „Air America“. Angehörige der CIA sollen teilweise Waffen gegen Opium eingetauscht haben. Sie versorgten ein an und für sich fruchtbares Gebiet mit Reis aus der Luft. Laut Willheims sparsamen Kommentaren glaubten die Kinder bald, Nahrung fiele aus natürlichen Gründen vom Himmel.

Ins Blaue und Grüne fliegen Granaten, zum Nebel gesellt sich Pulverdampf. Ein gefesselter Mann in Zivil wird verhört. „Ich sah ihn danach nie mehr“, schreibt Willheim. Eine andere Doppelseite zeigt Leichen. Eine Frau mit schwarzem Tuch vor den Augen trauert gegenüber einem Altar.

Dramatisch komponiert

Das Buch zeigt auch ausgelassene Siegesfeiern. Willheim ist ein Bildprofi im fog of war. Er hat in seinem schillernden Leben sogar die Kamera für ­Orson Welles geführt. Gewollte Unschärfen, überraschende Anschnitte, unterschiedliche Bildebenen zeigen, wie gut er mit Bildern operiert. Einige Schwarz-Weiß-Aufnahmen punktieren die farbsatten Bildstrecken. Dazwischen montierte Filmstills zoomen den Krieg bedrohlich nahe heran, weisen auf Kampfsituationen in schlierigen Reißschwenks. Fallschirme schweben in der Luft wie Quallen.

William Colby, später Leiter des CIA, ließ Willheim in die ansonsten nicht frei zugängliche Zone

Der damalige Führungsoffizier William Colby, später Leiter des CIA, ließ Willheim in die ansonsten nicht frei zugängliche Zone. „Ich wurde immer weiter hineingezogen“, schreibt er. Von Mitte 1965 an bleibt er ein Jahr in Laos. Später kehrte Willheim noch einmal 1971 für den PR-Film „Flying Men, Flying Machines. A Portrait of Air America“ zurück.

Als der Krieg in Vietnam verloren ging, mussten auch aus Laos eine viertel Million Hmong Richtung Thailand fliehen. Ihnen gilt Willheims Empathie. Das kalifornische Fresno wurde zu einer Exilhauptstadt der geflohenen Hmong. Das dortige Kunstmuseum will Willheim bald eine große Soloshow ausrichten.

Aus 1.400 Aufnahmen und zwei Filmen wählte das niederländische Grafikbüro SYB die Bildstrecken des Buchs und rhythmisierte sie auf mattem Papier. Bei genauer Betrachtung lassen sie schaudern. Gute Gra­fi­ker*in­nen, so John Willheim in einem Telefonat, seien zugleich Psychoanalytiker. Ein irres Buch.

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