„Was mir auffällt, ist der Wissensdurst“

Yannick Viol trainiert den U-14-Nachwuchs beim Fußball-Bundesligisten Werder Bremen. An seinen Spielern nimmt er eine extrem positive Einstellung zur eigenen Entwicklung wahr, aber auch einen Leistungsdruck aus dem Umfeld und den sozialen Medien

Yannick Viol (M.) bei einem Training von Werders U19-Mannschaft Foto: werder.de

Interview Ralf Lorenzen

Herr Viol, was war während der Fußball-WM das Hauptthema in Ihrer Mannschaft?

Die Jungs unterhalten sich hauptsächlich über einzelne junge Top-Spieler wie Jamal Musiala oder die Spanier Gavi und Pedri. Messi, Ronaldo und Neymar sind sowieso ein Thema. Ich zeige den Jungs gern mit Videoszenen, was die jungen Topspieler auszeichnet.

Was ist mit Niclas Füllkrug?

Natürlich freuen sie sich darüber, dass einer unserer Spieler so im Blickpunkt steht. Ich habe ihnen erzählt, dass wir hier in der Jugend zusammengespielt haben und dass er schon immer sehr hart an sich gearbeitet und in jedem Spiel gezeigt hat, dass er unbedingt Tore schießen wollte. Aber durch das Internet und die Spiele auf der Konsole sehen die Jugendlichen eher die große Bühne. Trotz alldem gibt es eine hohe Identifikation mit Werder. Ich zeige im Training regelmäßig Richtung Stadion und sage ihnen: Da drüben wollt ihr hin, dafür müsst ihr immer weiter an euch arbeiten.

Was zeichnet 13 bis 14-jährige Jugendliche speziell aus?

Das, was mir hier am meisten auffällt, ist diese Bereitschaft, lernen zu wollen, dieser unglaubliche Wissensdurst. Die Einstellung zum Sport und zur eigenen Entwicklung ist extrem positiv. Mit 13 bis 14 Jahren beginnen aber auch die Wachstums-Schübe und die Spieler werden sehr unterschiedlich groß. Da muss man geduldig sein, wenn sie nicht direkt alles umsetzen können und auch mal Probleme mit schmerzenden Knien haben.

Welche Rolle spielt Ihr junges Alter für die Akzeptanz bei den Jugendlichen?

Das hilft definitiv. Ich entscheide zwar, welche Elf am Samstag spielt. Trotzdem sehe ich mich als Teil des Teams und ich hoffe, das Team sieht es auch so, dass wir Trainer dazugehören und versuchen, ein Miteinander zu pflegen.

Sind Sie da manchmal auch Kummerkasten für persönliche Dinge?

Gerade im Coronalockdown haben viele mich angerufen, weil ihnen langweilig war oder sie einfach mit jemandem sprechen wollten. Das geht nur mit einem Vertrauensverhältnis. Wenn ich nur der Bestimmer wäre, würden sie nichts erzählen, weil sie immer Angst davor hätten, dass es eine Konsequenz hätte, wenn sie Schwächen zeigten. Ich versuche ihnen zu vermitteln, dass es eine Stärke ist, wenn sie mit einem Problem zu mir kommen.

Können Sie den Blick auf die persönliche Situation von dem auf die Leistungsfähigkeit der Spieler trennen?

Ich glaube, dass die persönliche Situation auch die Leistung beeinflusst. Wenn ein Spieler in der Schule Probleme hat und im Sport keine Leistung bringt, darf ich ja nicht nur auf den Sport gucken. Vielleicht kann ich die Probleme, die er anderswo hat, mit ihm zusammen lösen und er entfaltet wieder sein ganzes Potenzial auf dem Platz, weil er wieder frei dafür ist. Es wird leider nicht bei jedem reichen, aber wir versuchen, uns mit jedem Spieler auseinanderzusetzen, um ihm die bestmögliche Förderung zu ermöglichen.

Unter welchem Erfolgsdruck stehen Sie selbst in Ihrer Arbeit?

Von Vereinsseite habe ich keinen Druck, Spiele gewinnen zu müssen. Wichtiger ist am Ende, wie gut die Spieler für die U15 ausgebildet sind und wie viele Spieler das Rüstzeug für die U16, U17 von uns bekommen.

Müssen Sie Spielern manchmal auch mitteilen, dass ihr Weg hier zu Ende ist?

Foto: Rospek/werder.de

Yannick Viol28, spielte bis zur U19 als Torwart im Nachwuchs von Werder Bremen. Er hat eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann gemacht und besitzt die B+ Trainerlizenz. 2023 möchte er die höchste Jugendtrainerlizenz des DFB erwerben. Aktuell trainiert er hauptamtlich die U14 des SV Werder, deren Spieler aus Bremen und Niedersachsen kommen. Ins Werder-Internat werden erst Spieler ab der U15 aufgenommen.

Diese Gespräche führen wir am Ende jeder Saison mit den betroffenen Spielern und ihren Familien. Am Anfang hat das Thorsten Bolder, mein sportlicher Leiter im Leistungszentrum, übernommen. Da konnte ich mir für die Gesprächsführung viel abgucken. Vor allem ist es wichtig, ehrlich zu sein und möglichst frühzeitig zu signalisieren, dass es vielleicht schwer wird. Ich versuche auch, dem Spieler möglichst viele andere Optionen aufzuzeigen.

Es gibt gerade die Diskussion, ob eine zu frühe Orientierung an Erfolgen und Taktik der individuellen Entwicklung zuwiderläuft. Wie sehen Sie das?

Wir müssen versuchen, eine Kombination aus beidem hinzubekommen. Die Mentalität, gewinnen zu wollen, ist elementar wichtig, um irgendwann vor 40.000 Zuschauern spielen zu können. Aber sie darf nicht verhindern, dass die Spieler nicht mehr dribbeln oder eigene Entscheidungen treffen –oder dazu führen, dass der Ball nur von hinten rausgeschossen wird, weil man unbedingt einen Punkt holen will.

Auf talentierte Jugendliche lastet ein ganzes Bündel an Erwartungen – von Eltern, Trainern, Beratern, Verwandten, Freunden. Was tun Sie, damit der Druck nicht zu groß wird?

Ich nehme definitiv wahr, dass die Jungs sich früh schon viele Gedanken machen und auch immer wieder dem Leistungsdruck ausgesetzt sind –nicht nur hier, sondern auch in der Schule und in den privaten Umfeldern. In den sozialen Medien wird schnell alles bewertet, was man macht. Es ist mein Job als Trainer und Begleiter, den Jungs durch Gespräche und meine Art den Druck ein bisschen zu nehmen. Ich versuche, ihnen zu vermitteln, was sie gut können und sie zu ermutigen, das zu zeigen.

„Es ist wichtig, ehrlich zu sein und früh zu signalisieren, dass es vielleicht schwer wird“

Wie nehmen Sie die Durchlässigkeit im Verein wahr, also das Zusammenspiel zwischen Profis und Leistungszentrum?

Die Profiabteilung hat mit Frank Baumann, Clemens Fritz und Ole Werner Verantwortliche, die sehr an der Nachwuchsarbeit interessiert sind und sich viele Spiele angucken. Junge Spieler bekommen auch immer wieder die Chance, sich bei den Profis zu zeigen.

Was möchten Sie am Saisonende erreicht haben?

Dass so viele Spieler wie möglich den Sprung in die U15 schaffen. Dafür komme ich jeden Tag hierher.