berliner szenen
: Wissen Sie das nicht mehr?

Es ist kurz nach Neujahr und ich stehe in der Schlange vor den Postbankautomaten. Schon im alten Jahr funktionierte nur noch einer. Jetzt funktioniert der andere auch nur noch eingeschränkt. Mit den anderen Kunden tragen wir zusammen: Kontoauszüge und andere Belege druckt er nicht mehr. Überweisungen gehen noch, aber nicht bei allen. Die Wartenden erzählen, dass auch Online-Banking nicht mehr funktioniert. Ich schiebe meine Karte in den Automaten: „Leider konnte Ihrem Wunsch aus technischen Gründen nicht entsprochen werden.“

Dann stelle ich mich in die Schlange vorm Schalter. Das geht überraschend schnell. „Würden Sie bitte mal überprüfen, ob meine Karte okay ist? Der Automat nimmt sie nicht an?“ – „Vielleicht fehlt noch eine Unterschrift“, sagt die Frau hinterm Schalter. Unterschrift? Ich habe das Konto seit 1989. Sie hantiert mit meiner Karte, fordert meinen Ausweis und murmelt: „Das ist schon drüben.“ Bitte? Wo ist mein Konto? „Na, bei der Deutschen Bank.“ Ich wusste nicht, dass mein Girokonto die Bank wechseln wollte über Silvester und frage nach. „Das haben Sie doch unterschrieben, die Unterschrift ist jedenfalls da.“ Wann habe ich das unterschrieben? Jetzt wird die Frau hinterm Schalter grantig: „Im Sommer vor einem Jahr, Mitte 2021, haben Sie ein Formular bekommen. Wissen Sie das nicht mehr?“

Nein, ich weiß nicht, was ich vor anderthalb Jahren getan habe. Anscheinend ist das nicht normal. Wurden wir Kunden über diesen Wechsel zur Deutschen Bank informiert? „Ja natürlich, schon 2014. Und irgendwann musste es dann ja mal stattfinden.“ Die Gespräche am Nachbarschalter klingen genauso. Wenn man wissen will, was angestaute gesellschaftliche Wut bedeutet, muss man sich nur in der Post in die Schlange stellen. Gaby Coldewey