Arzt verweigert Behandlung: Rassismus in Bremer Notfallpraxis?

In einer Bremer Bereitschaftspraxis soll sich ein Arzt geweigert haben, Patientinnen mit Niqab zu behandeln. Die Betroffenen beschwerten sich nicht.

Niqab, von einer Frau getragen.

Wegen eines solchen Gesichtsschleiers sollen Frauen in Bremen abgewiesen worden sein Foto: Ian Langsdon/dpa

BREMEN taz | Können Frauen mit Niqab ärztlich untersucht werden, so wie jede andere auch? Ein Bremer Arzt beantwortet diese Frage offenbar mit Nein: Er soll einer Frau die Behandlung verweigert haben, die diese Art von Verschleierung, bei der die Augen frei bleiben, getragen habe. Der Rassismus-Vorfall soll sich an einem frühen Freitagmorgen Mitte Dezember in der Bereitschaftspraxis am Bremer Krankenhaus St.-Joseph-Stift ereignet haben.

Die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KV), die die Praxis betreibt, bestätigt, dass der Vorfall von einer medizinischen Fachangestellten gemeldet worden sei. „Die Angestellte berichtet, wie die Patientin aufgebracht den Behandlungsraum verlässt“, schreibt ein KV-Sprecher. „Und dass es im Anschluss daran zu einem Gespräch zwischen dem behandelnden Arzt und zwei Personen aus der zentralen Notaufnahme des Krankenhauses gekommen ist, die die Patientin offensichtlich in der Folge aufgesucht hat.“

Der praktizierende HNO-Arzt arbeitet taz-Informationen zufolge öfter nachts im Ärztlichen Bereitschaftsdienst, der sich in unmittelbarer Nähe zur Notaufnahme der Klinik befindet und auch mit dieser zusammenarbeitet.

Die KV habe daraufhin den Kontakt zur Geschäftsführung des Krankenhauses gesucht, „um weitere Erkenntnisse zu sammeln“. Auch der behandelnde Arzt sei zu einer „ausführlichen Stellungnahme“ aufgefordert worden.

Zudem habe man die bei der KV Bremen angesiedelte Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen eingeschaltet und mit den ihr vorliegenden Infos versorgt. Diese Stelle habe ein Jurist inne, erklärt eine KV-Sprecherin. Die Stelle gehe „Sachverhalten und Hinweisen nach, die auf Unregelmäßigkeiten hindeuten; sie ist mit besonderen Befugnissen ausgestattet und unterliegt gesetzlichen Transparenzgeboten“. Damit sei eine „transparente und verlässliche Verfolgung von jeglichen Verdachtsfällen sichergestellt“.

Jurist der Kassenärztlichen Vereinigung prüft Fehlverhalten

Rund eine Woche später, wenige Tage vor Weihnachten, lag die Stellungnahme des Arztes vor, schreibt die KV der taz. Inhaltlich könne man aber nicht darauf eingehen. Das Krankenhaus habe sich in der Zwischenzeit „kooperativ zurückgeäußert und alle vorliegenden Informationen zur Verfügung gestellt“.

Noch habe man nicht alle benötigten Infos beisammen, doch schon jetzt zeichne sich ab: „Die vorliegenden Schilderungen widersprechen sich bzw. sind nicht eindeutig.“ Zudem liege „leider“ keine Beschwerde der betroffenen Patientin vor.

Eine Beschwerde gebe es auch nicht in einem zweiten Fall, der sich nur wenige Tage nach dem ersten ereignet haben soll. Der KV liege dazu ein Gesprächsprotokoll einer Mitarbeiterin des Bereitschaftsdienstes vor. Darin werde eine Auseinandersetzung beschrieben, „an welcher derselbe Arzt beteiligt sein könnte“.

Auch dieser Fall sei an die entsprechende Stelle weitergegeben worden, der Arzt zu einer Stellungnahme aufgefordert. „Ob und inwieweit es sich um gleich gelagerte Vorwürfe handelt, bleibt derzeit noch zu prüfen.“ Die zweite Stellungnahme des Arztes liege derzeit noch nicht vor.

Ermittlungsergebnis ist noch offen

Eine Strafanzeige gebe es zu dem Vorfall ebenfalls nicht, teilt eine Polizei-Sprecherin mit.

Auf der Ärzt*innen-Website Jameda wird der Arzt überwiegend sehr positiv bewertet; ein Kommentar jedoch wirft ihm auch dort Rassismus und Beleidigungen vor. Beim Versuch der taz, ihn in seiner Praxis telefonisch zu erreichen und ihn nach den beiden Situationen zu fragen, legte er auf.

Sollten sich die Vorwürfe gegen den Arzt bestätigen, so die KV, würde man disziplinarrechtliche Maßnahmen einleiten oder sogar den ordentlichen Rechtsweg beschreiten. „Gegebenenfalls würde auch unmittelbar die Zusammenarbeit mit dem Arzt beendet.“

Auf die Frage, ob sich bereits ein ähnlicher Vorfall um denselben Arzt in der Vergangenheit ereignet habe, antwortet die KV Anfang Januar, dass sie vor wenigen Tagen „durch Dritte“ einen Bericht erhalten habe – zu einem Vorfall, der älter als zwei Jahre sei. Dieser könne heute jedoch nicht mehr geklärt werden, „da weder eine Beschwerde vorlag, noch bekannt ist, was seinerzeit die Ermittlungen/Gespräche ergeben haben“. Man werde dies aber bei gegebenenfalls zu treffenden Maßnahmen, „je nach Ergebnis der aktuellen Fallklärungen“, berücksichtigen.

Das Krankenhaus St.-Joseph-Stift ist nach eigenen Angaben nicht für die Notfallpraxis verantwortlich. „Der Ärztliche Bereitschaftsdienst befindet sich zwar in unserem Gebäude und arbeitet im Rahmen der Notfallbetreuung der Patientinnen und Patienten eng mit unserem Haus zusammen. Jedoch ist er rechtlich und organisatorisch eigenständig und nicht Teil des Krankenhauses.“

Beschwerden leite man daher grundsätzlich immer weiter. Zu den konkreten Fällen könne das Krankenhaus nichts sagen. Sollten sich Rassismusvorwürfe bestätigen, werde man mit der KV „weiter in den Dialog“ treten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.