Buch über subkulturelle Orte Berlins: Streifzüge durch Lustbarkeiten

Subkulturelle Orte prägen die Vergangenheit Berlins. Autor Daniel Schneider und Comiczeichnerin Tine Fetz haben sie in ihrem Buch „Places“ verewigt.

Schwarz-weiß Zeichnung der Abhörstation am Berliner Teufelsberg

Abhörstation am Teufelsberg in Berlin Foto: Tine Fetz

Abreißen und neu bauen: Oft gewinnt man den Eindruck, dies sei das eherne Gesetz der Berliner Stadtentwicklung. Betrachtet man die Geschichte der Berliner Clubs und Vergnügungsorte insbesondere in der Nachwendezeit, scheint sich diese Annahme zu bestätigen.

Wo einst der Tresor oder der Club Elektro waren, sind heute Büros. Wo die Cuvrybrache war und weltweit berühmte Street Art prangte: noch mehr (hässliche) Büros. Wo die Werner-Seelenbinder-Halle war, ist heute das Velodrom. Und wo der Palast der Republik einmal von Künst­le­r:in­nen zwischengenutzt wurde, da steht heute dieses so alte neue Schloss.

Um die subkulturellen Orte der Vergangenheit vor dem Vergessen zu bewahren, ist nun der illustrierte Band „Places“ entstanden. Insgesamt 60 Berliner Orte werden darin porträtiert. Daniel Schneider, Mitarbeiter des Archiv der Jugendkulturen, hat kurze und bündige Artikel zu den Orten geschrieben, die Illustratorin und Comiczeichnerin Tine Fetz die Zeichnungen der „Places“ angefertigt.

Dabei stellen die beiden nicht nur berühmte Clubs wie das WMF, den Tresor, den Eimer oder den Berghain-Vorgänger Ostgut vor, es kommen auch Plätze wie die Radarstation auf dem Teufelsberg, der Bierpinsel in Steglitz oder der Rundlokschuppen Heinersdorf vor.

Ein Stück Berliner Stadtgeschichte

Nebenbei erzählt der Band so immer auch ein Stück Berliner Stadtgeschichte, die ausgewählten Orte künden oft von der wechselhaften Geschichte der Bezirke. Beim Prenzlauer Berg mag dies noch sehr erwartbar sein, hier ging das Verschwinden von Diskotheken wie dem Café Nord und Clubs wie dem Icon, dem Knaack und dem Klub der Republik mit der Glättung, Gleichmachung und Verspießerung eines ganzen Stadtteils einher.

Aber auch an anderen Stellen wird Wandel sichtbar oder Kiezgeschichte abgebildet. Über die Adresse Hasenheide 13 in Kreuzberg etwa existiert ein eigenes Buch („Hasenheide 13“, Hg.: Sammlung Wemhöner), so spannend ist die Geschichte des Gebäudes, die hier kurz abgehandelt wird. „Places“ erzählt von den verschiedenen Stätten zum Abhotten, die an jener Stelle beheimatet waren: Dem Cheetah, dem Sector Tanzpalast Kreuzberg, dem Joe an der Hasenheide, dem Pleasure Dome. Ältere mögen sich erinnern.

Schwarz-weiß Zeichnung vom ehemaligen Club Tresor in Berlin

Der Club Tresor Foto: Tine Fetz

Gleichzeitig wird einem vor Augen geführt, welch vitales Vergnügungsviertel einmal dort war. Ballhäuser, Tanzpaläste, Biergärten – es muss einmal ziemlich lebenslustig zugegangen sein an der Meile zwischen Hermannplatz und Südstern, wo heute Huxleys Neue Welt recht einsam inmitten der Baumarkt-Tristesse residiert.

Unvermeidlich erfährt man in „Places“ natürlich auch etwas über die wilde Mitte der Neunziger, in der sich die Subkultur die Freiräume nahm, die durch die Wende entstanden waren – diese Geschichte ist weitaus bekannter, aber nicht weniger erzählenswert. Oft sind es auch Anekdoten am Rande, die interessant sind, zum Beispiel, dass unter den Be­set­ze­r:in­nen des Clubs I.M. Eimer, benannt nach den inoffiziellen Stasi-Mitarbeiter:innen, tatsächlich I.M.s waren (was zu entsprechenden Konflikten geführt hat).

Informativ, nicht allzu nostalgisch

Die Auswahl der Clubs und Diskos, die zu Mauerzeiten existierten, ist insgesamt etwas westlastig. Allerdings wird auch von Freiräumen in der DDR berichtet, etwa vom Alextreff oder der Samariterkirche, die eine Zeitlang Heimstatt der oppositionellen Subkultur war.

Die Szene im Westen, vor allem in Schöneberg, wird dagegen kompletter abgebildet, man streift visuell noch mal durch die Gegend um den Wittenberg- und Nollendorfplatz und stößt auf legendäre Stätten wie das Chez Romy Haag, den Dschungel oder das Risiko. Oder man wird an dunkle Stunden der Westberliner Historie erinnert, wenn das La Belle in Friedenau porträtiert wird, das 1986 Ziel eines Terroranschlags wurde.

Tine Fetz und Daniel Schneider: „Places – Vergangene Orte der Berliner Club- und Subkultur“. Ventil Verlag, Mainz 2022, 120 Seiten, 20 Euro

Fetz und Schneider geben seit fünf Jahren bereits den Kalender „Places Berlin“ heraus – aus dem Kalenderprojekt entstand schließlich die Idee für das Buch. Die klaren, kontrastreichen Schwarz-Weiß-Illustrationen von Tine Fetz basieren auf Fotos und sind mit Liebe zum Sujet gezeichnet, so entdeckt man gelegentlich kleine ins Bild gesetzte Details oder Figuren, die eine eigene kleine Geschichte erzählen.

Schneiders Texte sind dicht und informativ, aufs Wesentliche beschränkt, zum Glück nicht allzu nostalgisch. Und doch ruft „Places“ natürlich legendäre Konzerte in Erinnerung, bei der Werner-Seelenbinder-Halle etwa denkt man unweigerlich an die Konzerte kurz vor der Maueröffnung wie das Ton-Steine-Scherben-Konzert 1988 oder den Auftritt von Depeche Mode im gleichen Jahr.

Die beiden Au­to­r:in­nen weisen darauf hin, dass sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Deshalb kann es natürlich sein, dass einem Orte in West (etwa Ex’n’Pop oder Punkhouse) wie Ost (der alte Franz-Club oder diverse Jazzclubs) in der Auswahl fehlen. Aber wer weiß, vielleicht serviert uns ja ein Folgeband dereinst weitere „Places“.

Die Buchpremiere findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Jungle Bar“ am 3. Februar in der Berliner Programmschänke Bajszel, Emser Str. 8-9, statt.

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