Braunkohle in Brandenburg: Der Kampf um die Kohle im Osten

Die Klimabilanz zeigt, der Kohleausstieg muss schneller gehen. In der Lausitz stößt das nicht auf Begeisterung.

Kühltürme des Braunkohlekraftwerks in Jänschwald, Lausitz

Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in der Lausitz Foto: Patrick Pleul/dpa

BERLIN taz | Harald Altekrüger ist nicht gut auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu sprechen. „Nicht mit uns“, empört sich der CDU-Landrat des Spree-Neiße-Kreises im Südosten Brandenburgs in der ersten Woche des Jahres. Habeck hatte kurz zuvor bekräftigt, für das Lausitzer Kohlerevier einen Kohleausstieg im Jahr 2030 vereinbaren zu wollen.

„Die Nutzung von Braunkohle aus Tagebauen in der Bundesrepublik ist zeitlich bis zum Ende des Jahres 2038 befristet worden“, beruft sich Altekrüger auf das Kohleausstiegsgesetz. „Sehr überraschend“ seien Habecks Äußerungen für ihn gekommen.

Im Osten kündigt sich ein harter politischer Kampf um das Vorziehen des Kohleausstiegs an. So überraschend wie für Altekrüger dürfte die Debatte für viele allerdings nicht sein. Schließlich hat die Ampel-Regierung die Pläne schon 2021 in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt: „Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir den Kohleausstieg idealerweise auf 2030 vorziehen“, heißt es dort.

Dass das politisch kein Selbstläufer wird, ist wohl auch Habeck klar. Sehr bedacht formulierte er, er wolle den früheren Kohleausstieg im Konsens beschließen. Wie eine Anordnung von oben soll das Projekt also nicht daherkommen.

Klimaziel 2022 verfehlt

Für das Kohlerevier in Nordrhein-Westfalen gibt es schon eine Einigung mit dem dort tätigen Energiekonzern RWE. Der hat eingewilligt, sein letztes Kohlekraftwerk statt 2038 bereits 2030 vom Netz zu nehmen. Der klimapolitische Nutzen der Einigung ist umstritten: Teil des Deals ist auch, dass jetzt in der Energiekrise Kohlekraftwerke länger laufen als ursprünglich geplant. Deshalb soll auch der Ort Lützerath weiter abgebaggert werden, während einige andere Dörfer gerettet wurden. Habeck stellte eingangs immerhin einen schmalen Klimanutzen in Aussicht.

Das Beratungsunternehmen Aurora Energy Research aber kommt zu einem anderen Schluss: Insgesamt werde bei diesen Plänen kaum weniger Kohle verbrannt. Und entsprechend auch keine CO2-Emissionen eingespart. Das Schlussdatum 2030 steht aber immerhin.

Dass Deutschland seine Emissionen stärker senken muss als bisher, ist klar. Die offiziellen Angaben des Umweltbundesamts zur Klimabilanz des vorigen Jahres sind zwar noch nicht da, dafür hat der Thinktank Agora Energiewende schon einmal nachgerechnet. Demnach hat Deutschland sein Klimaziel für 2022 wohl verfehlt, die CO2-Emissionen stagnierten, statt zu sinken. Neben den üblichen Baustellen Verkehr und Heizen gingen die Emissionen auch im Energiesektor nicht mehr zurück. Im Gegenteil, sie stiegen sogar wieder. Ursache: der Kohleboom.

Bis 2030 will Deutschland seine Emissionen etwa halbieren, bis 2045 praktisch auf null senken. Die Erde erhitzt sich durch die menschlichen Treibhausgasemissionen rapide, im Durchschnitt ist sie schon um 1,2 Grad wärmer als zu Beginn der Industrialisierung. 4.500 Hitzetote hatte Deutschland im vorigen Jahr nach einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts. Das Jahr 2022 hält in Deutschland zusammen mit 2018 den Rekord der wärmsten Jahre.

Brief an den Kanzler

Es ist aber nicht nur ein einzelner Landrat, der verhindern will, dass der Kohleausstieg auch im Osten schneller geht. Die Regierungschefs der betroffenen Bundesländer Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt wandten sich direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

In einem Brief, der im Dezember bekannt wurde, beklagten sie sich über Habeck. Dessen Bundeswirtschaftsministerium übe „in vielfältiger Weise direkt und indirekt Druck aus, um die ostdeutschen Braunkohleunternehmen zu einem vorzeitigen Ausstieg zu bewegen“, schrieben Michael Kretschmer (CDU), Dietmar Woidke (SPD) und Reiner Haseloff (CDU). Die Braunkohle werde „aktuell und auch absehbar“ gebraucht, meinen die drei Ministerpräsidenten.

Die Kohlekraftwerke im Lausitzer Kohlerevier betreibt der Energiekonzern Leag. Auch der reagiert nicht erfreut über die Pläne der Bundesregierung. Leag-Chef Thorsten Kramer mahnt an, die Versorgungssicherheit im Blick zu behalten.

Die will die Ampel durch eine Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren sicherstellen. Vier Fünftel des deutschen Stroms sollen 2030 aus erneuerbaren Quellen kommen.

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