Neue Töne in altem Klostergemäuer: Kloster­immobilie für einen Euro

Das frühere Kloster Weißenohe bei Nürnberg stand 2008 vor dem Verkauf an Neonazis. Das wurde verhindert. Eine Chorakademie soll bald einziehen.

Eine Illustration zeigt ein altes Klostergemäuer und einen stilsierten Leuchtturm: aus dem alten Kloster Weißenohe bei Nürnberg soll eine Chorakademie werden

Wenn aus einem alten Kloster ein Leuchtturm der Kultur wird … Illustration: Jeong Hwa Min

WEIßENOHE taz | Still und starr steht das frühere Benediktinerkloster in Weißenohe, rund 30 Kilometer nordöstlich von Nürnberg. An sonnigen Tagen leuchtet das Ocker der langgezogenen Fassade den Wandergruppen fröhlich entgegen. Doch im Prälatenflügel, der als einziger Trakt das Feuer von 1850 überlebt hat, warten die Räume schon lange auf neues Leben. 2008 stand das Anwesen auf der Kippe. Nachdem ein Immobilienunternehmer vergeblich versucht hatte, 28 Eigentumswohnungen zu vermarkten, drohte die Zwangsversteigerung.

Damals sickerte durch, dass Neonazis die Immobilie kaufen und ein Tagungszentrum einrichten wollen. Das stieß bei den Einheimischen auf heftigen Widerstand, denn Rechtsextreme hatten im Raum Gräfenberg jahrelang mit Aufmärschen für Ärger und kreative Gegendemonstrationen gesorgt.

Als Herbert Meier im Sommer 2008 von den Nazi-Absichten erfuhr, ging der Steuerberater aus dem benachbarten Eckental, der seit 2004 als Schatzmeister beim Fränkischen Sängerbund fungiert, in die Offensive. Um den Deal zu verhindern, setzte er auf seinen Traum von einer Begegnungs- und Probenstätte für Sänger:innen. Da das ab 1692 errichtete Barockkloster Weißenohe wie das oberfränkische Kloster Banz ein Werk der berühmten Architektenfamilie Dientzenhofer ist, hält Meier es für prädestiniert für eine Chorakademie.

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Schnell gewann er Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r:in­nen und den damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein für sein Herzensprojekt. Im Oktober 2008 wurde der Förderverein „Chorakademie des Fränkischen Sängerbundes im Benediktinerkloster Weißenohe“ gegründet, verknüpft mit einem ersten Gesamtkonzept. Der Verkauf an die Nazis war vom Tisch, doch es dauerte bis Ende 2012, bis die gemeinnützige Gesellschaft für den Bau und Betrieb des Chorzentrums entstand.

Symbolischer Euro

Durch geschicktes Taktieren gelang es, Ende 2013 die Kloster­immobilie für einen symbolischen Euro zu erwerben. Allerdings hatte die Bausubstanz gelitten, weil der Vorbesitzer die Heizung im Winter abgeschaltet hatte, was zu Wasserschäden in Höhe von 800.000 Euro führte.

Die Besonderheit

Ein weltliches Chorzentrum in einem früheren Kloster ist eine Attraktion. Solange der Umbau läuft, kann neben dem Prälatentrakt die Pfarrkirche St. Bonifaz besucht werden, ebenfalls ein barockes Schmuckstück. Um die Ecke lockt die Klosterbrauerei – ein längst weltlicher Gerstensafterzeuger mit Wirtschaft und Biergarten.

Das Zielpublikum

Momentan sind es die Neugierigen, die auf der Wanderung zur Lillachquelle oder entlang des Fünf-Seidla-Steigs vorbeikommen. Wenn der Umbau fertig ist, werden Chöre überregional und quer durch alle Generationen zu Gast sein.

Die Hürden auf dem Weg

Das ambitionierte Projekt hat schon viele Klippen gemeistert, doch Geld und Zeit bleiben unwägbar. Wichtig: Im Umfeld gibt es wenig Parkplätze, man sollte besser die Gräfenbergbahn nehmen – ein regionaler Zug, der in Weißenohe hält.

Anfang 2017 wurde ein Architektenwettbewerb ausgelobt, den das Münchener Büro Hirner & Riehl gewann. Weil zum Umbau des denkmalgeschützten Klostertraktes, in dem auf über 1.000 Quadratmeter Proben- und Seminarräume plus Bibliothek entstehen, der Neubau eines Übernachtungshauses mit 65 Zimmern, Außenanlagen samt Freiluftbühne und Gartenanlage sowie ein Erweiterungsbau mit Konzertsaal integriert wurden, sind die Gesamtkosten von anfangs 4,5 mittlerweile auf 20,3 Millionen Euro gestiegen. 19 Million Euro werden laut Meier über Fördergelder gedeckt, allein 5,3 Millionen kommen vom Bund.

Die Coronapandemie hat nicht nur die Chöre ausgebremst, sondern auch das Chorakademie-Projekt verzögert. Doch inzwischen steht der Zeitplan. Im vergangenen Herbst wurde das Umfeld des Klosters, dessen Wurzeln bis ins 11. Jahrhundert reichen, archäologisch unter die Lupe genommen. 2023 soll der Umbau beginnen. Drei Jahre sind dafür veranschlagt, Ende 2025 soll Eröffnung gefeiert werden.

Dass der Bedarf groß ist, weiß Meier nicht nur von 1.800 Chören im Fränkischen Sängerbund. Als die ersten Ideen für das Chorzentrum die Runde machten, bekam er Anfragen aus anderen Bundesländern, die sich schon mal für ein Wochenende anmelden wollten.

Ein Leuchturmprojekt

Wer momentan den Prälatenflügel betritt, begegnet im Erdgeschoss neben Infotafeln dem überarbeiteten Modell des Architekturbüros Hirner & Riehl und Restmobiliar des vorherigen Eigentümers. Bei einer Tour durch die drei Stockwerke muss man sich immer wieder wundern, welche Einbauten die Denkmalschutzbehörde genehmigt hatte. Die Bausünden sollen alle verschwinden, Meier verspricht einen „verantwortungsbewussten Umgang mit der alten Bausubstanz“. Brand-, Umwelt- und Denkmalschutz will man ebenso gut unter einen Hut bekommen wie Barrierefreiheit, moderne Tagungstechnik und Energieeffizienz.

Die Chorakademie soll ein „Leuchtturm“ werden, der auf das direkte Umfeld ausstrahlt. Deshalb gehört die benachbarte, seit 1827 bestehende Klosterbrauerei zum Sanierungspaket. Man kann sich gut vorstellen, dass 2026 Leute nach einer Wanderung zur Lillachquelle und einem Essen in der Brauereigaststätte noch in Weißenohe bleiben, um abends ein Konzert zu hören.

Und es gut möglich, dass auch mal Lieder gesungen werden, die von Gruppen stammen, die in den 1970er und frühen 1980er Jahren im legendären Weißenoher Rockschuppen to act aufgetreten sind – wie The Cure, Status Quo, Uriah Heep oder Nina Hagen. Klingt vielversprechend.

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