Asyldeal von Großbritannien und Ruanda: Asyl-Outsourcen von Gericht erlaubt

Ein Gericht hat die Abschiebepläne Großbritanniens mit Ruanda für legal erklärt. Acht Fälle muss die Regierung erneut prüfen.

Aufkleber mit "Stop Rwanda" Aufschrift

Aufkleber der „Stand Up To Racism“-Aktivisten vor dem Gericht in London Foto: Kirsty Wigglesworth/dpa

LONDON taz | Wenn Menschen illegal nach Großbritannien einreisen, darf die Regierung sie ins ostafrikanische Ruanda abschieben. So lautete am Montag das Urteil des High Court of Justice. Durch ein Abkommen mit der ruandischen Regierung sollen die Geflohenen dort ihren Asylantrag stellen können. Das stehe im Einklang mit der Flüchtlingskonvention und dem britischen Menschenrechtsgesetz.

In der Erklärung des Urteils heißt es: Die Maßnahmen, welche die britische Regierung mit der ruandischen Regierung getroffen haben, würden ein vorschriftsmäßiges Asylverfahren sicherstellen. Deswegen sei es in Ordnung, die Geflüchteten nach Ruanda zu bringen, damit sie dort ihre Anträge stellen. Falls ihnen Asyl gewährt wird, sollen sie auch in Ruanda leben statt in Großbritannien.

Hintergrund des aktuellen Urteils war die Klage von acht Personen gegen das Innenministerium. Sie sollten am 14. Juni von Großbritannien nach Ruanda geflogen werden. Doch den Flug hatte zunächst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gestoppt, weil „ein echtes Risiko von irreversiblem Schaden“ bestanden habe.

Obwohl an diesem Montag in London das britische High Court of Justice zwar die Abschiebungen grundsätzlich als legal befand, müsse das Innenministerium die konkreten acht Fälle erneut prüfen. Die bisherigen Untersuchungen seien nicht ausreichend gewesen.

Fragliche Menschenrechtssituation

Unterstützt werden die acht Geflüchteten von den Hilfsorganisationen Detention Action, Care4Calais und der britischen Gewerkschaft Public and Commercial Services Union – sie vertritt Angestellte im britischen Grenzschutz. Zudem fordert auch die Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen (UNHCR) den Antrag auf ein Prüfverfahren, ob in Ruanda die Mindeststandards für ein zugängliches, zuverlässiges, faires und effizientes Asylsystem gewährleistet seien.

Das Abkommen, für das die britische Regierung inzwischen umgerechnet deutlich mehr als 100 Millionen Euro an die ruandische Regierung gezahlt hat, wurde während der Regierungszeit von Boris Johnson von der damaligen Innenministerin Priti Patel vorgestellt. Die Idee hinter der Maßnahme ist, ein abschreckendes Signal an Flüchtlinge zu senden, die den Ärmelkanal mit kleinen Booten überqueren, um in Großbritannien Asyl zu beantragen. Die Regierung erhofft sich, damit den lebensgefährlichen Überfahrten ein Ende zu setzen. In der vergangenen Woche waren vier Menschen dabei gestorben.

Nachdem das High Court am Montag in London sein Urteil verkündet hatte, äußerten Hilfsorganisationen daran Kritik. James Wilson, stellvertretender Direktor der Gruppe Detention Action, gab an, er sei enttäuscht, dass das Hochgericht Abschiebungen von Flüchtlingen in ein autokratisches Land, in dem Folter und Mord an der Tagesordnung seien, genehmigt habe.

Durch die Anhörung kamen interne Nachrichten aus dem Auslandsamt ans Licht. In einer rieten Beamte dem damaligen Außenminister Dominic Raab, die Kritik an der Menschenrechtssituation in Ruanda zu besänftigen. Selbst der britische Botschafter in Ruandas Hauptstadt Kigali hatte gemeldet, dass in der Vergangenheit Flüchtlinge für bewaffnete Überfälle auf Nachbarstaaten rekrutiert worden seien.

Labours Schatteninnenministerin Yvette Cooper kritisierte, das Ruanda-Programm sei Ablenkungsmanöver von dringend notwendigen Maßnahmen gegen Schleusergangs und um das Asylsystem wieder instand zu setzen.

Die amtierende britische Innenministerin Suella Braverman bezeichnete das Urteil als Sieg und kündigte an, dass sie die Ruanda-Flüge so schnell wie möglich aufnehmen wolle. Allerdings haben die Kläger bereits angekündigt, dass sie Berufung einlegen wollen. Sollte der Antrag auf Berufung genehmigt werden, könnte die Zukunft des Programms vom Supreme Court, dem höchsten Gericht des Landes, entschieden werden.

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