EU-Gipfel zum Ukraine-Krieg: Bröckelnde Solidarität

Europa vereint für die Ukraine? Der EU-Gipfel zeigt ein etwas anderes Bild. Sanktionen und Waffenlieferungen werden nur unzureichend umgesetzt.

Ein bombadiertes Haus wird abgerissen, 3 Menschen beobachten die Szene

In der Nähe von Kiew beobachten die Bewohner von Borodyanka den Abriss eines bombardierten Hauses Foto: Andrew Kravchenko/ap

BRÜSSEL taz | Die Europäische Union stellt sich auf einen langen, womöglich jahrelangen Krieg in der Ukraine ein. Beim EU-Gipfel in Brüssel diskutierten die 27 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag darüber, wie „die Nachhaltigkeit unserer militärischen und finanziellen Unterstützung gewährleistet werden kann“ – so formulierte es Gipfelchef Charles Michel in seinem Einladungsbrief.

Lettlands Ministerpräsident Krišjānis Kariņš warnte vor einem raschen Waffenstillstand. „Zum jetzigen Zeitpunkt würde ein Frieden oder ein Waffenstillstand ein Vorteil für Russland sein“, sagte Karins. Es würde Moskau Zeit geben, sich neu zu formieren, um Angriffe auf die Ukraine auf noch brutalere Weise fortzusetzen. Ähnlich äußerte sich Litauens Staatspräsident Gitanas Nausėda.

Auf den ersten Blick ist die EU gut vorbereitet: So haben sich die Mitgliedsländer auf einen 18 Milliarden Euro schweren, zinsvergünstigten Hilfskredit geeinigt, der den Finanzbedarf der Regierung in Kyjiv im gesamten Jahr 2023 abdecken soll. Zudem wurde die sogenannte Friedensfazilität um 2 Milliarden Euro aufgestockt – sie dient als Kriegskasse für die Beschaffung von Waffen.

Doch hinter den Kulissen bröckelt die Solidarität. So hat Ungarn bis zuletzt die Finanzierung der Ukraine-Hilfe aus dem EU-Budget infrage gestellt; erst in letzter Minute und unter erheblichem Druck lenkte die Regierung von Viktor Orbán ein. Beim Gipfeltreffen war es dann Polen, das Probleme bereitete. Warschau stellte den Ungarn-Deal, zu dem auch die Ukraine-Kredite gehören, infrage.

Lebensmittelblockade oder Propaganda?

Außerdem forderte Regierungschef Mateusz Mora­wiecki, das neunte Sanktionspaket nachzuschärfen. Man dürfe zudem nicht auf den russischen Wunsch eingehen, die bestehenden Sanktionen zu ändern, um russische Getreide- und Düngemittelexporte zu erleichtern. Dafür hatte sich unter anderem Deutschland stark gemacht, um das Getreide-Abkommen mit der Ukraine nicht zu gefährden. Es sieht auch Lockerungen für Russland vor.

Deutschland und fünf weitere EU-Ländern fordern, Anpassungen vorzunehmen. Es gehe darum, Rechtssicherheit für den Export russischer Agrarprodukten und Düngemittel in Schwellenländer herzustellen, hieß es. Das hatte auch die Afrikanische Union gefordert. Andere Länder sehen Berichte über angeblich durch Sanktionen behinderte Agrarexporte hingegen als russische Propaganda.

Das Gezerre um die Sanktionen zeigt, dass die EU langsam das Ende der Fahnenstange erreicht. Kanzler Olaf Scholz hat in seiner Regierungserklärung vor dem EU-Gipfel zwar weitere Strafmaßnahmen angekündigt. Im Entwurf für die Gipfelerklärung steht die Ukrai­ne an erster Stelle, wie in vielen EU-Beschlüssen. Doch wenn es konkret wird, häufen sich die Bedenken.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte etwa einen wesentlich strikteren Ölpreisdeckel von der EU gefordert – vergeblich. Die erst vor zwei Wochen beschlossene Maßnahme, die die Kriegskasse Russlands schmälern soll, hat bisher keine erkennbare Wirkung gezeigt.

Wer liefert als Erster?

Beim Gipfeltreffen in Brüssel legte Selenski, der per Video zugeschaltet war, noch einmal nach. Die EU-Staaten müssten so schnell wie möglich moderne Panzer liefern, so Selenski. „Ich bitte Sie darum, Führung zu zeigen.

Derjenige, der als erster moderne Panzer liefert, eröffnet die Möglichkeit für Lieferungen aus der ganzen Welt und wird als einer der größten Verteidiger der Freiheit im Gedächtnis bleiben.“ Angesprochen fühlen dürfte sich vor allem Deutschland. In Berlin wird seit Wochen über die Lieferung deutscher Kampfpanzer diskutiert.

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