Korruptionsskandal im EU-Parlament: Katars langer Arm zum Stiefel

Viele Beschuldigte im Korruptionsskandal des Europaparlaments sind aus Italien – etwa Gewerkschafter Antonio Panzeri. Wie kommt's?

Antoinio Panzeri steht im Anzug vor Mikrofonen, hier im September 2016

Machte sich für Katar stark und bescheinigte in Artikeln Arbeitnehmer*innenrechte: Antonio Panzeri Foto: Amine Landoulsi /AA/picture alliance

ROM taz | Die Hauptbeschuldigte des Korruptionsskandals, die mittlerweile suspendierte Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Eva Kaili, ist zwar Griechin, aber die meisten anderen stammen aus Italien. Auch eine weitere zentrale Figur des Netzwerks: Antonio Panzeri, ein ehemaliger linker Abgeordneter des Europäischen Parlaments.

Neben seinem Haftbefehl bestätigte am Sonntag die belgische Justiz die für Francesco Giorgi, den Parlamentsmitarbeiter und Lebensgefährten Kailis sowie für den Generalsekräter der Organisation No Peace without Justice, Niccolò Figà-Talamanca. Alle drei bleiben wie Kaili weiter im Gefängnis. Die Tochter und die Frau Panzeris stehen aufgrund eines Europäischen Haftbefehls in Italien unter Hausarrest.

Hingegen wieder auf freiem Fuß sind Kailis Vater Alexandros Kaili und Luca Visentini. Letzterer wurde im November zum Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes gewählt, des weltweiten Dachverbandes der Gewerkschaften, der seinen Sitz in Brüssel hat. Trotzdem sind die Ermittlungen gegen sie noch nicht eingestellt.

Das Netzwerk soll versucht haben, Katar einen Ruf als ar­beit­neh­me­r*in­nen­freund­li­ches Land zu verschaffen – gegen ein üppiges Entgelt. In Panzeris Brüsseler Wohnung fanden die Er­mitt­le­r*in­nen laut italienischen Medien jene 600.000 Euro in bar, deren Beschlagnahmung sie nach der Razzia bekannt gaben.

„Nicht wieder 100.000 Euro“

Das überrascht, betrachtet man die bisherige Karriere Antonio Panzeris: immer klar links, immer engagiert im Kampf für die Rechte der Arbeitnehmer*innen. So machte der 67-Jährige seinen Weg beim größten italienischen Gewerkschaftsbund CGIL.

Dort war Panzeri von 1995 bis 2003 Vorsitzender des Ortsverbands in Mailand, dem einflussreichsten in Italien. Zudem war er in der Kommunistischen Partei und blieb auch, als sie sich vom Kommunismus verabschiedete und in der Partei der Linksdemokraten aufging. Für sie zog Panzeri 2004 schließlich ins Europaparlament, dem er für drei Legislaturperioden bis 2019 angehörte.

Auch als die Linksdemokraten 2007 mit der Mittepartei Mar­gherita zur Partito Democratico (PD) fusionierten, blieb er. Doch dann wurde 2013 Matteo Renzi zum Vorsitzenden und etwas später auch italienischer Ministerpräsident gewählt.

Renzi brachte die PD auf marktliberalen Kurs, einen „Dritten Weg“, welcher sich an der Regierungspolitik des früheren britischen Labour-Premiers Tony Blair oder des ehemaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder orientierte. Er setzte beispielsweise gegen den Willen der Gewerkschaften Arbeitsmarktreformen durch.

Da wurde es dem scheinbar roten Panzeri zu bunt. Gemeinsam mit anderen Ver­tre­te­r*in­nen des linken Parteiflügels verließ er 2017 die PD, um die kleine, stramm linke Partei Articolo Uno zu gründen.

Als er 2019 das EP verließ, blieb er scheinbar seinen alten linken Idealen treu und gründet eine Menschenrechtsorganisation mit namhafter Unterstützung. Aus dieser moralischen Position machte Panzeri sich für Katar stark, bescheinigte in freundlichen Artikeln die Fortschritte des Golfstaats bei Arbeitnehmer*innenrechten. Er nutzte sein über die Jahre im EP geknüpftes Netz.

Aber während Panzeri sich öffentlich für Menschenrechte abmühte, lebte er mit seiner Familie auf großem Fuß. In Italien wurde aus den Ermittlungsakten öffentlich, dass er ausführlich mit seiner Gattin erörtert habe, über welche Bankkonten Gelder fließen sollen. Zugleich diskutierten sie Pläne für Privatreisen, die aber – so die Ehefrau – „nicht wieder 100.000 Euro wie im letzten Jahr“ kosten sollten.

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