FC St. Pauli entlässt Trainer: Schulle muss gehen

Timo Schultz' Bilanz als Trainer des Zweitligisten war zuletzt zu schlecht. Doch es gibt Kritik am Rauswurf.

Ein Mann in schwarzer Trainingsjacke steht am Rand des Spielfeldes und fasst sich an den Kopf

Sympathie allein reicht nicht: Timo „Schulle“ Schultz darf den FC St. Pauli nicht mehr trainieren Foto: Friso Gentsch/dpa

HAMBURG taz | Wer die Ohren gespitzt hatte, wurde schon am 18. November hellhörig. FC-St.-Pauli-Präsident Oke Göttlich hatte Journalisten eingeladen, um einen Blick aufs Jahr 2022 im Allgemeinen und die Rückrunde im Speziellen zu werfen. Die großen Themen Nachhaltigkeit, Katar, DFL/50+1 durften nicht fehlen. Besonders spannend wurde es, als es um die Verantwortlichen des Absturzes ging – Geschäftsleiter Sport Andreas Bornemann und Trainer Timo Schultz.

Während der Präsident sich lobend hinter Bornemann stellte, klang das Vertrauen in Schultz reduziert. Danach begann die Weltmeisterschaft und die Öffentlichkeit, auch die Hamburger, wandte sich anderen Themen zu – bis es mit Beginn der abgelaufenen Woche deutliche ­Signale aus der Szene gab, dass der FC St. Pauli sich nach einem Trainer umschaue.

Insofern überraschte die Entlassung des bei den Fans beliebten Coaches am Nikolaustag nicht mehr. Zieht man die St.-Pauli-typische Fußballromantik ab, folgte Bornemann als Vorgesetzter von Schultz nur den bekannten Gesetzen des Marktes: bei Misserfolg Rausschmiss.

Es waren sportliche Gründe, die zur Trennung vom 45-Jährigen führten. Das Band, dass den Ostfriesen und die Braun-Weißen doch so sicher zusammenhielt, war brüchig geworden, weil Schultz nicht lieferte – auch nicht in der Analyse der missratenen Hinrunde (ein Sieg aus 14 Spielen). Zumindest nicht in Bornemanns Augen.

Trainerverschleiß beim FC St. Pauli

Mag Schultz neben Ewald Lienen und Holger Stanislaws­ki zu den beliebtesten Coaches am Millerntor zählen, so war seine Bilanz in der Rückrunde 2021/22 und nun in dieser Hinserie doch derart schlecht, dass Bornemann und Göttlich keine Wahl blieb: Sympathie holte keine Punkte. So bleibt Bornemann, Typ leitender Angestellter, beim FC, während der Herzblut-Paulianer Schultz (17 Jahre im Klub) gehen muss – auch das ein Kennzeichen der Ära Göttlich, dass reine Verbundenheit und alte Verdienste nicht zählen.

Daran ändert auch eine Onlinepetition der Fans pro Schultz nichts („Schulle muss bleiben“). Wie klar, schroff und szene­untypisch die Vereinsführung die Versäumnisse unter Schultz aufzählte („fatale Auswärtsschwäche“, „fehlende Balance“, „mangelnde Weiterentwicklung“), lässt den enormen Druck erkennen, unter dem Bornemann und noch mehr Göttlich stehen. Die Pandemie, die Energiekosten, der drohende Abstieg: Es musste etwas passieren.

Göttlich kann man für seinen „Trainerverschleiß“ kritisieren – Schultz’ Nachfolger ist der siebte Coach seit 2014. Sportlich kommt St. Pauli unter ihm nicht vom Fleck. In vielen anderen Bereichen hat sich der Klub vom Kiez jedoch zu einer wichtigen Stimme im deutschen Profifußball entwickelt. Stichwort moralische Meinungsführerschaft.

Und zu einer modernen Organisation gehört eben auch Gewaltenteilung – wenn der Zuständige, also Bornemann, den Daumen bei Schultz senkt, vertraut Göttlich darauf. Und startet keinen Alleingang pro Schultz. Geschlossen folgten Präsidium und Aufsichtsrat Bornemanns Empfehlung, was dessen Position beim FC stärkt.

Im Hinterkopf mag bei beiden die Enttäuschung stecken, dass Schultz und sein Team den Aufstieg im Frühling 2022 verbaselt haben – allerdings mit entscheidendem Anteil Bornemanns, der durch seine Nicht-Gespräche mit wichtigen Spielern Unruhe im Kader stiftete und die Stimmung vergiftete.

Im Dunklen bleibt, warum Göttlich Bornemann mehr vertraut und ihm mehr zutraut als Schultz. Klar ist, dass nun der Druck auf Bornemann zunimmt, gleichgültig ob der neue Trainer Florian Kohfeldt (teuer!), Thomas Stamm (schrieb das Abendblatt), Horst Steffen oder Michael Wimmer heißt.

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