Flüchtlinge protestieren gegen UNHCR: „UNHCR kämpft nicht für uns!“

Vor dem Sitz des Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Genf kritisieren Flüchtlinge dessen Politik gegenüber Libyen. Sie fühlen sich alleingelassen.

Ein Boot der libyschen Küstenwache mit Migrant:innen an Bord

Ein Boot der libyschen Küstenwache bringt Mi­gran­t:in­nen nach Libyen zurück Foto: Fiona Alihosi/Sea-Watch/ap

BERLIN taz | Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR versteht sich als Anwalt für die Rechte der Schutzsuchenden auf der Welt. Doch diesem Anspruch wird die Organisation nicht gerecht – das werfen ihr Flüchtlinge und Ak­ti­vis­t:in­nen der Kampagne „Unfair – The UN Refusal Agency“ vor. Unter diesem Motto demonstieren sie an diesem Wochenende zum Tag der Menschenrechte am UN-Hauptsitz in Genf.

Bei Schnee und Minusgraden hatten sie eine Mahnwache auf der Avenue de France, direkt vor dem Eingang der UNHCR-Zentrale errichtet. Das UNHCR habe sich „entschieden, auf der Seite der Regierungen zu stehen“, sagte der Sprecher David Yambio, ein aus Libyen angereister Flüchtling aus Süd-Sudan, statt diese mit der Entrechtung der Flüchtlinge zu konfrontieren.

„Viele haben sich in Libyen vor zehn Jahren registriert und warten immer noch,“ sagte David Yambio. Die Papiere, die das UNHCR ausstelle, seien wertlos, „weil das UNHCR nicht für uns kämpft und nicht die verteidigt, die es verteidigen muss.“ Die Agentur kritisiere die Regierungen Libyens und der EU nicht dafür, dass diese gemeinsam Menschen auf dem Mittelmeer aufhalten und zurück in die libyschen Lager verfrachten. „Das UNHCR bekommt Geld von der EU und spielt mit unseren Leben.“

Libyen zählt zu den Ländern, in denen Geflüchtete in besonders extremer Weise entrechtet werden. Viele verbringen lange Zeit in Internierungslagern, die deutsche Diplomaten vor Jahren „KZ-ähnlich“ nannten. Auch, wer aus diesen Lagern heraus kommt, hat mit äußerst schwierigen Bedingungen zu kämpfen. Eine der wenigen Institutionen, die überhaupt im Land präsent sind und helfen könnten, ist das UNHCR.

Vor einem Jahr hatten deshalb Tausende Geflüchtete über 100 Tage vor dem UNHCR-Büro in Tripolis demonstriert. Sie forderten unter anderem die Evakuierung aller Geflüchteten in sichere Länder. Hintergrund ist, dass das UNHCR nur Flüchtlinge aus einer Handvoll Herkunftsländer in ein Evakuierungsprogramm aufnimmt, über das eine begrenzte Zahl Internierter das Land verlassen kann – sofern sich aufnahmebereite Länder finden.

Die Flüchtlinge nehmen es dem UNHCR übel, dass dieses die Aktion in Tripolis kritisiert hatte, statt die Menschen in Schutz zu nehmen. Die Polizei löste die Sitzblockade schließlich mit Gewalt auf, hunderte Demonstrierende wurden am 10. Januar inhaftiert.

Das UNHCR werde „immer mehr Teil der Eindämmungs- und Managementpolitik der Staaten“, sein Mandat, eine starke Stimme für Flüchtlinge zu sein, werde „verwässert“, heißt es im Aufruf der Kampagne. Der Grenzschutzpolitik der Staaten des globalen Nordens liefere die Organisation „ein Feigenblatt“. So sei die UN-Organisation zwar weiterhin der „international anerkannteste“ Akteur, doch die Stimmen von Flüchtlingen werden „ignoriert, oder ihr Protest zum Schweigen gebracht oder unsichtbar gemacht“.

Ein Sprecher des UNHCR sagte am Freitag gegenüber der taz, die Organisation sei „solidarisch mit allen Schutzsuchenden, die in Libyen unter schrecklichen Bedingungen leben und dort Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.“

Die Lage in Libyen sei indes schwierig, das Umfeld „sehr restriktiv“, die Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Gleichwohl habe man seit Anfang 2021 „unter schwierigsten operativen Bedingungen“ die Freilassung von etwa 1.030 inhaftierten Schutzsuchenden erreicht und 3.450 gefährdete Flüchtlinge evakuiert.

Zudem habe das UNHCR wiederholt darauf hingewiesen, dass Libyen kein sicherer Ort für Flüchtlinge und Asylsuchende sei und appellierte an die internationale Gemeinschaft, durch Resettlement, Familiennachzug und andere Wege „mehr Möglichkeiten für in Libyen aufhältige gefährdete Flüchtlinge“ zu schaffen. Darauf sei die Organisation angewiesen, um mehr Menschen an Orte außerhalb Libyens in Sicherheit bringen zu können.

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